Vom Zusammenleben der Konfessionen

In diesem Jahr (2016) soll in Oberndorf – neben der erstmaligen urkundlichen Erwähnung vor 888 Jahren – auch das 333jährige Bestehen des Simultaneums gefeiert werden. Dieses Simultaneum war jedoch nicht immer ein Grund zum Feiern.

So wie heutigen Tags der Islam für mancherlei Spannung in der Gesellschaft Anlass gibt, so gab es zu gewissen Zeiten auch in der Nordpfalz zum Teil schwere Spannungen zwischen Katholiken und Protestanten. Diese Spannungen hatten ihre Ursache teilweise in dem ungünstigen Zahlenverhältnis zwischen Katholiken und Protestanten. So lebten 1925 im Gebiet des damals noch existierenden katholischen Pfarramtes Oberndorf (Filialen: Alsenz, Mannweiler, Kalkofen und Winterborn) 255 Katholiken gegenüber 2745 Protestanten (welche allerdings nur zum Teil der damals ebenfalls noch existierenden protestantischen Pfarrei Oberndorf angehörten). Dies machte die Katholiken gewissermaßen zu Außenseitern, welche darauf wiederum mit einer gewissen Wagenburgmentalität reagierten und die eigenen Feste als Demonstration unbeugsamen Glaubens zelebrierten. In dieses Spannungsverhältnis wurden dann zudem noch persönliche Animositäten hineintransportiert.

In der Folge kam es zu teilweise skurrilen Vorfällen.

So brachte einem Herrn Eduard Enders aus Sitters seine geäußerte Meinung eine Strafanzeige ein. Herr Enders hatte gemeint, „die Katholiken sind lauter Narren; sie haben alle Hörner auf. Wenn sie zum Nachtmahle gehen, reißt sich der Papst einen Büschel Haare aus dem Kopf und legt es auf die Obladen und dann essen dies die Katholiken. Am Fronleichnamstag küssen sie statt Jesus auch einen Juden“. Zu welchen Folgen für Herrn Enders die Strafanzeige führte, war nicht zu ermitteln.

Noch robuster ging es am Fronleichnamsfest 1901 auf der Straße zwischen Hochstein und Schweisweiler in Höhe der Kutscherkneipe Tivoli zu:

Eine Gruppe von 11 Schweisweilerer Katholiken befand sich auf dem Rückweg von der Fronleichnamsprozession in Winnweiler. In gleiche Richtung fuhr ein mit zwei Personen besetztes Automobil, welches die Gruppe überholen wollte. Als das Automobil etwa in der Mitte des Zuges angekommen war, wurde es von der Gruppe förmlich umringt, die Insassen aus dem Wagen gerissen und mit Schirmen und Gebetbüchern in roher und brutaler Weise misshandelt. Bei dem sich daraus ergebenden Strafverfahren vor dem Kaiserslauterer Landgericht verteidigten sich die 11 Angeklagten mit der Bemerkung: „Das Automobil ist ein neues Verkehrsmittel, dem die Landbevölkerung wenig Zuneigung entgegen bringt. Und gerade in diesem Fall nicht ohne Grund, denn der Lärm eines Motorwagens passt schlecht zum Klange alter Kirchenlieder und man merkt schon von weitem, dass es nicht mit Weihrauch geheizt wird“.

Die Täter erhielten zwischen drei Wochen und einem Monat Gefängnis.

Vor diesem Hintergrund verwundert es nicht, wenn zu Beginn des 20. Jahrhunderts auch in Oberndorf das Klima zwischen Protestanten und Katholiken rauer wurde.

Unter dem katholischen Pfarrer Nachtigall kamen die konfessionellen Kämpfe, insbesondere gegen den protestantischen Pfarrer Stock wieder voll zum tragen. Der damalige Bischof von Speyer und spätere Erzbischof von München und Freising, Dr. von Faulhaber, merkte gelegentlich an „ in Oberndorf sind zwei Pfarrer die schlagen – Stock und Nachtigall“. Nach dem es selbst in der Kirche 1911 zu den heftigsten Auftritten und fast zu Schlägereien wegen der jeweiligen Nutzungszeit und –dauer kam, regelte das königliche Bezirksamt Rockenhausen die Nutzung der Oberndorfer Kirche durch eine vorläufige Anordnung. Da sowohl die weltlichen als auch die geistlichen Behörden die Oberndorfer Kirchenverhältnisse satt hatten, versuchte man dieselben durch eine Radikalkur zu heilen. Doch alle Bemühungen scheiterten am Widerstand des Presbyteriums bzw. Pfarrer Stocks.

Am 16. Januar 1914 kam es dann doch dazu, man erzielte eine Einigung über die Auflösung des Simultanverhältnisses der Kirche zu Oberndorf mit folgendem (gekürzt wiedergegebenem) Inhalt:

  1. Das Simultaneum wird gelöst. Die Kirche samt altem Friedhof, Turm, Chor und Sakristei geht mit allen Rechten und Pflichten in das Alleineigentum der protestantischen Kirchengemeinde über.
  2. Mit der Kirche gehen auch die Orgel und die zwei Glocken über.
  3. Der Eigentumsübergang erfolgt mit der Auflassung ins Grundbuch und nach allerhöchster Genehmigung.
  4. Nach Auflassung tragen die Protestanten allein die Baulast.
  5. Als Abfindungssumme zahlt die protestantische Kirchengemeinde an die katholische Kirchenstiftung den Betrag von 33.000 Mark.
  6. Die Katholiken sind berechtigt die Kirche in der bisherigen Weise zu nutzen, bis sie selbst eine neue Kirche gebaut haben, längstens jedoch bis 1. Oktober 1923.

Vorstehende Vereinbarung gründete sich auf einstimmig gefasste Beschlüsse des Gemeinderates, des Presbyteriums und der Kirchenverwaltung Oberndorf, die im Beisein des königlichen Regierungsrates Grill, des Domdekans Brehm, des königlichen Konsistorialrates Esslinger, des königlichen Bezirksamtsassessors Vogt und des Protokollführers Leibmann gefasst wurden.

Die Katholiken hatten für diesen Fall schon vorgebaut. Unter Pfarrer Schlick wurde 1904 der Kirchenbauverein St. Valentin gegründet. Angeregt wurde dessen Gründung durch den damaligen Bischof Ehrler, welcher auf Grund der vorhandenen Spannungen mit der protestantischen Kirchengemeinde die Lösung des Simultaneums und den Bau einer eigenen katholischen Kirche vorschlug. Am 1. Januar 1919 betrug die Summe des durch den Kirchenbauverein angesparten Baugeldes 73.875,38 Mark.

Die unter 3. genannte „allerhöchste Genehmigung“ ist jedoch bis heute nicht erfolgt.

Auf Grund des verlorenen Weltkrieges, des Wechsels in den politischen Verhältnissen und nicht zuletzt durch die Inflation, die annähernd das gesamte für den Kirchenneubau angesparte Kapital der katholischen Kirchengemeinde vernichtete, wurde dieses Vorhaben ad acta gelegt, so dass bis zum heutigen Tag ein Simultaneum besteht und wir dessen Bestehen feiern können.

 

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Der Stein des Anstoßes, die Simultankirche zu Oberndorf