Von Strom und Stromern

Ein Oberndorfer bringt Licht ins Dunkel

Schauen wir uns die Zustände in der ländlichen Nordpfalz gegen Ende des 19. Jahrhunderts im Hinblick auf Beleuchtung an. Während in den größeren Städten in der Regel die Straßenbeleuchtung vermittels Gaslaternen und vereinzelt schon elektrisch durch Bogenlampen erfolgte, gab es in Dörfern eine solche Einrichtung nicht. Gleiches galt für die Privathaushalte sowie für die damals zahlreichen landwirtschaftlichen Betriebe.

Mit Petroleum betriebene Stalllaternen sowie Kerzen und Petroleumlampen stellten in der Regel die einzige Möglichkeit dar, im Privathaushalt und im Stall „Licht ins Dunkel“ zu bringen, also auch an langen Winterabenden tätig sein zu können.

Entsprechend „elektrisiert“ waren die Zeitgenossen von der Aussicht auf elektrischen Strom. Das elektrische Licht war heller und brannte gleichmäßiger als die ansonsten genutzten Leuchtmittel und vor allem ging von ihm keine Brandgefahr aus (aus Zeitungsberichten ergibt sich, dass fast kein Jahr ohne größeren Brand im Ort vorüberging). Zudem erweckte der Elektromotor große Hoffnungen in Handwerk und Landwirtschaft, da er billiger und handlicher als die in der Industrie verwendeten Dampfmaschinen war und nicht ständig befeuert werden musste.

Vor diesem Hintergrund fasste der Besitzer der Oberndorfer Untermühle, ein Herr Georg Schumacher, welcher die Mühle im Jahr 1891 von dem Kreuznacher Heinrich Karl Ackva erworben hatte, den Plan, zusätzlich zum Mühlbetrieb auch elektrische Energie zu erzeugen. Schließlich verfügte seine Mühle über drei Wasserräder mit einem Durchmesser von je 2,80m. Das Wasser der Alsenz wurde von einem sieben Meter langen Wehr gestaut und über einen 205m langen Mühlgraben den Wasserrädern zugeführt (Der Mühlgraben wurde ende der 1930er Jahre zugeschüttet, da in diesem – durch ein tragisches Unglück – kurz vorher das dort spielende Kind eines E-Werkmitarbeiters ertrank). Dementsprechend stand reichlich Wasserkraft zur Verfügung, welche durch den Mühlbetrieb bei weitem nicht ausgenutzt werden konnte.

Jedenfalls gründete der Mühlenbesitzer Schumacher 1896 das Elektrizitäts-Werk Alsenz-Oberndorf.  Unterstützung erhielt er durch den damals allseits beliebten katholischen Pfarrer von Oberndorf, Göbel, der sich ganz besonders für die Einführung des elektrischen Lichts sowohl als Schulinspektor als auch als Pfarrer einsetzte.

Unter der Regie eines Herrn Braunsberg wurde die Untermühle zu einem Elektrizitätswerk umgebaut. Dieses ging 1897 in Betrieb und lieferte Strom in die Gemeinden Oberndorf und Alsenz. Durch den Erfolg ermuntert, errichteten Braunsberg und der Ingenieur Rothe in der Rockenhausener Obermühle 1898 ein weiteres Elektrizitätswerk und versorgten damit Rockenhausen.

Wasserkraftwerk Obermühle Rockenhausen um 1900

Wasserkraftwerk Obermühle Rockenhausen um 1900

 

Mit Strom versorgt wurden in der Nordpfalz gegen ende des 19. Jahrhunderts somit Rockenhausen (am 1. August 1898 wurde das  dortige Elektrizitätswerk dem Betriebe übergeben. Die aus 6 Bogenlampen und 20 Glühlampen bestehende Straßenbeleuchtung funktionierte auf das vortrefflichste, besonders die Straßen, in denen die Bogenlampen brannten, waren taghell beleuchtet. Hunderte von Zuschauern hatte das Ereignis auf die Straße gelockt), Alsenz und Oberndorf.

Doch die allgemeine Begeisterung über die neue Energie konnte nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Rentabilität von Elektrizitätswerken nur ausnahmsweise gegeben war.

Elektrisches Licht war damals das mit weitem Abstand teuerste künstliche Licht. In den 1890er Jahren kostete die Kilowattstunde Strom 70 bis 80 Pfennige, dazu kamen noch Grundgebühren und die Zählermiete in Höhe von 15 bis 40 Mark. Im Vergleich dazu betrug der durchschnittliche Stundenlohn eines Grubenarbeiters, der zu den bestbezahlten Arbeitern im damaligen Deutschen Reich gehörte, ca. 40 Pfennig, die BASF zahlte einem Chemiearbeiter zwischen 25 und 35 Pfennig die Stunde. Für eine Kilowattstunde Strom musste man also zwei bis drei Stunden arbeiten. Für die meisten Haushalte war elektrisches Licht kaum bezahlbarer Luxus, für die Arbeiterhaushalte faktisch unerschwinglich.

Entsprechen gering war der Absatz der Elektrizitätswerke Alsenz-Oberndorf. Zudem waren hohe Investitionen in die Leitungsnetze erforderlich und es fielen hohe Betriebskosten für die neuerdings verwendeten Gasmotoren an.

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Schemazeichnung eines Sauggasmotors.

Die Grundbesitzer, über deren Grundstücke das Leitungsnetz verlief, verlangten Entschädigung bzw. Sonderkonditionen für bezogenen Strom. (bis ins Jahr 1911 erhält z.B. die Oberndorfer Kirche ihren Strom umsonst). Der Kohleverbrauch für die in Oberndorf verwendeten Gasmotoren zum Antrieb der Generatoren belief sich auf 3 bis 4 kg je produziertem Kilowatt elektrischer Energie.

Wenn die Kosten höher sind als die Einnahmen, wird schnell das Geld knapp und so kam es, wie es anscheinend immer kommen muss. Zwar versuchte der Mühlenbesitzer und Elektrizitätswerkbetreiber Schuhmacher über die verstärkte Vermarktung der ursprünglichen Dienstleistung „Mahlbetrieb“ die Einnahmesituation zu verbessern, wie sich aus einem Zeitungsinserat vom Juli 1900 ergibt:

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Elektrizitäts=Werk Alsenz=Oberndorf

Gesellschaft mit beschränkter Haftung

Mühlenbetrieb

Es werden verabfolgt: 1., wenn die An- und Rückfahrt durch das Werk erfolgt beim Moltern:

Vom Zentner Mahl=Getreide:

60 Pfund feines Mehl und 30 Pfund gute Kleien,

vom Zentner Schrot=Getreide:

90 Pfund ausgezeichnetes Schrot.

  1. Wenn die Fahrten vom Auftraggeber bethätigt werden: Der ganze Anfall an Mehl und Kleien sowie Schrot, abzüglich 2 Pfund Verstaubung.

Für das Mahlen werden dann berechnet 55 Pfennig,

Für das Schroten werden dann berechnet 35 Pfennig

Soll das Fuhrwerk vom Werke gestellt werden, so sind bei Geldzahlung zu entrichten

Pro Zentner Getreide 75 Pfennig

Pro Zentner Schrot 45 Pfennig

Die Mühle ist auf das Vorzüglichste eingerichtet und kann sich allerorts über die Qualität des Mahlgutes erkundigt werden.

Jeder Auftrag kann nunmehr, da sich das Werk durch große Kohlenlieferungen gesichert hat, selbst in wasserarmen Zeiten in längstens 10 – 14 Tagen zur Ausführung gelangen.

Bei Kunden, welche ständig beim Werke arbeiten lassen, erfolgt ein Zuschlag beim Mahlen mit Dampf nicht.

Consumvereine und Genossenschaften werden bei größeren Bestellungen weiter berücksichtigt.

Beträge unter 2 Mk. sind bei Abholung des Mahlgutes sogleich zu entrichten.

Elektrizitätswerk Alsenz-Oberndorf

Gesellschaft mit beschränkter Haftung

 

Dennoch geriet der Mühlenbesitzer Schumacher in Konkurs:

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Konkursverfahren.

In dem Konkursverfahren über das Vermögen des

Mühlenbesitzers Georg Schuhmacher in Oberndorf,

wurde durch Beschluss des kgl. Amtsgerichts dahier vom

  1. März 1902 die Vornahme der Schlußverteilung ge-

nehmigt und zur Abnahme der Schlussrechnung und Er-

hebung von Einwendungen gegen das Schlußverzeichnis

Schlußtermin bestimmt auf:

 

Donnerstag, den 27. März 1902,

vormittags 11 Uhr

 

im Sitzungssaale des kgl. Amtsgerichts dahier.

O b e r m o s c h e l. 1. März 1902

Gerichtsschreiberei des k. Amtsgerichts:

Fischer, 1. Sekretär


Bekanntmachung.

In dem Konkursverfahren über das Vermögen von

Georg Schuhmacher, Müller früher in Oberndorf,

zur Zeit auf der Bliesmühle bei Neunkirchen wohnhaft,

beträgt der verfügbare Massebestand Mk. 2688,98. Die

bevorrechtigten Forderungen und die Kosten des Verfahrens

betragen 944 Mk. 45 Pfg. Es gelangen somit unter die

Chirographargläubiger, welche im Ganzen 31.891Mk.

30 Pfg. zu fordern haben, 1744 Mk. 53 Pfg. zur Ver-

Teilung. Die Dividende beträgt mithin 5,61%.

Die Schlussrechnung nebst Belegen, sowie das Schluß-

verzeichnis liegen auf der kgl. Amtsgerichtskanzlei Ober-

moschel zur Einsichtnahme der Beteiligten auf.

A n n w e i l e r, den 1. März 1902

      Der Konkursverwalter

         Wenz, kgl. Gerichtsvollzieher

 

Fortsetzung folgt: