Kriegschronik von Oberndorf, Teil XI.

Berichte aus Briefen  der Kämpfer IV.

Ludwig Grogro aus Mannweiler, Seminarist, schrieb am 18. Mai 1918.

Der Schlag am 21. März 1918 ist tadelos geglückt. Das Ganze ein schauerlich schönes Schauspiel! Ende Februar kamen wir in die Gegend von Vervius ins Ruhequartier, um uns vorzubereiten für bevorstehende, große Ereignisse. Um die Mitte des März begann das Gigantische, der Aufmarsch. Mit einigen längeren oder kürzeren Tagesmärschen gings gen Westen. In der Nacht vom 20/21 März wurden dann die Angriffsarmeen eingesetzt und am 21. um 4 Uhr 40 vormittags setzte das deutsche Trommelfeuer der unzähligen Batterien aller Kaliber auf die englischen Linien ein.
9 Uhr 40 vormittags erfolgte der Einbruch der ersten Wellen in die feindlichen Gräben. Dabei ein Nebel, vermischt mit Pulverdampf und Gas, so dicht, daß man auf 3 – 5 m den Freund und den Feind nicht mehr erkannte. Manch eine Stimme wurde laut: „O Hindenburg, dein Ruhm ist hin!“ Doch es ging vorwärts. Als nun die Sonne durchdrang und der Nebel verschwand, erhielt das Ganze eine andere Wendung. Die englische Infanterie, so tapfer sie sich auch wehrte, dem Ansturm vorwärts- und nachdrängender deutscher Truppen konnte sie nicht Einhalt gebieten. Am Abend sind wir bereits in den letzten englischen Verteidigungslinien, lauter neuen, vollkommen unversehrten Stellungen, angelangt. In der folgenden Nacht gab der Engländer Fersengeld, um sich bis an den Crozat – Kanal bei Fessy zurückzuziehen (die früher erreichten Orte: Einsatz erfolgte bei Hancourt südöstlich St. Quentin, über Urviller, Essigny, Montescourt, Lizerolles gegen Fessy).  Am 23. III. erzwangen wir bei Nebel den Übergang über den obengenannten Kanal und bei verschwinden des Nebels auch den ziemlich hohen Eisenbahndamm Fessy – Flavy le Martel. Jetzt gab es für den Engländer kein halten mehr. Auf offenem, bereits wieder einzusehendem Gelände angekommen, suchte er, zu jedem weiteren Widerstand unfähig, sein Heil in der Flucht. Dieses Zurückfluten konnten auch die in aller Eile in den Kampf geworfenen französischen Truppen, lauter neu eingekleidete, gut gepflegte und ausgeruhte, frische Kerle, nicht hemmen. Die folgenden Tage waren nur mehr Verfolgungsmärsche über Genivry, Geizeard, Frenichos, Fretry, Beaulieu, Condor bis Canny Lassigny. Hier gings zum alten Stellungskrieg über; schwere Tage gabs zu überstehen; ununterbrochenes Regenwetter im alten Sommeschlamm. Dazu die verzweifelten Angriffe der Franzosen.
Ostern 1918 waren für mich die schwersten Tage meines Lebens. Doch brachte die Offensive auch manches Angenehme. Der Engländer mußte trotz der gewaltigen Vorbereitung unsererseits weder Ort, Tag noch Stunde des Angriffs, er wurde vollkommen überrascht. Eßwaren und Getränke gabs reichlich; Weißbrot, Fleischkonserven, Zigaretten, Reis, Schokolade, Kakao, Unterwäsche, Hühner, Karnickel (lebend), kondensierte Milch, Rauchfleisch, Honig, Tabak und Zigarettenpapier, Gummimäntel, Lederwesten, Wickelgamaschen, Uhren u.s.w., alles in Hülle und Fülle. Eine Suppe 1a bekamen wir in den ersten Tagen der Offensive dank der Umsicht eines älteren Herrn Kollegen, wie wir sie seit 1915 nicht mehr über die Zunge brachten. Ich trage als Andenken an die gelungene Offensive französische gelbe Zivilschnürstiefel und eine nagelneue englische Reithose. Der 1. Schlag der deutschen Offensive ist gelungen, der 2. gelingt auch, das sind wir sicher. Nachträglich möchte ich noch hinzufügen, daß wir unter dem Befehl des Generals von Hutier standen und der Division zugeteilt waren, von der die Zeitungen berichteten, daß sie nicht abgelöst werden wollte.

 

Aus Craiova (Rumänien) schrieb der Seminarist Ludwig Grimm von Oberndorf am 10. April 1917:

Ehe ich das Lazarett am nächsten Mittwoch verlasse, möchte ich Ihnen noch einmal, vielleicht für längere Zeit, wieder einen größeren Brief schreiben. Meine Hände und Füße (die erfroren waren) sind fast völlig geheilt und die Malaria, die ich vor ungefähr 4 Wochen erhielt, bin ich nun auch los.
Ich hatte bisher immer Glück und gehe deshalb vertrauensvoll wieder hinaus. Meine Division soll noch in Rumänien am Sarath in Stellung sein. Es freut mich sehr, daß ich das Osterfest noch im Lazarett verbringen konnte. Da das Lazarett seine Kapelle hat, konnte am 1. Feiertag Gottesdienst gehalten und das heilige Abendmahl gefeiert werden. Um das Fest etwas zur Geltung zu bringen, schmückten unsere Schwestern die Sääle mit Blumen und jeder erhielt mehrere Eier. Auch aus der Stadt brachten uns deutsche Frauen Kuchen und Eier. Wie erfreuten uns diese Gaben! Das Wetter war während der Feiertage sehr schön, wie es denn schon seit drei Wochen täglich hier so heiß ist, wie bei uns im Hochsommer. In wenigen Tagen grünte alles. Auf meinem Zimmer habe ich auch zwei Pfälzer als Kameraden, Pirmasenser. Was sagt die Zeitung eben von Krieg und Frieden?
Der Pfarrer, der uns öfter besucht, belehrt uns immer über die Ereignisse zur See und zu Lande. Rumänien wird alsbald ausgeblutet sein, was die Vorräte an Getreide, Wurst, Vieh u.s.w. anbelangt. Dies merkt man auch im Lazarett. Die Kost wird schlechter, die Portionen knapper.  Brötchen gibt es schon lange nicht mehr, an Stelle von Weißbrot ist ein Drittel Kommisbrot getreten. Schmalz und Eier geben die Rumänen nicht mehr heraus, denn dafür hat die deutsche Kommandantur sozusagen Spottpreise festgesetzt, z.B. für ein Ei 4 Pfennig, 1 kg Schmalz 2,50 Mark.

Schützengraben in Rumänien, den 15. Mai 1917.

Komme soeben vom Schanzen und möchte Ihnen nun wieder mal schreiben. Kaum einen Tag bei der Kompanie, die in Petrati, 3 Stunden hinter der Front in Ruhe lag, gings sogleich mit in Stellung am 15. IV. Am 22. IV wurden wir abgelöst und sollten 4 – 6 Wochen nach Candesti bei Foksani in Ruhe kommen. Doch auf einen 10tägigen Dienst folgte eine kurze Besichtigung und nun sitzen wir seit 5. des Monats wieder im Graben, aber in einer anderen als der vorigen Stellung. Beide Stellungen sind ziemlich ruhig und auch ganz gut ausgebaut. Täglich wird ja mehr von den Russen als von uns mit Artillerie geschossen und erst gestern hatte unsere Nachbarkompanie 8 Tote und 5 Verwundete. Aber was will das heißen gegenüber den heißen Schlachten, wie sie eben im Westen geschlagen werden. Man sagt immer: „Seid froh, daß ihr nicht im Westen seid!“
Das Wetter ist aber bei uns nicht so günstig. Am Tage ziemlich kühl und immer windig, während der Nacht aber ist es sehr kalt. Vor einigen Tagen hatten wir einen wolkenbruchartigen Gewitterregen, so daß wir im Unterstand bald ersoffen. Am Abend wateten wir im Laufgraben bis an die Kniee im Wasser. Auch bei uns Soldaten ist die Kost schlecht und trotzdem sollen wir noch Schweres und Hartes oft leisten. Ein Drittel Brot der Mann, dünne Suppe und Tee, das ist unser Tagestrost. Schon seit Wochen erhielt die Kompanie Urlaub, die erste Woche fahren zwei, die andere drei Mann. Landwirte und andere dringende Gesuche wurden berücksichtigt. Nun liegen zur Zeit 100 Gesuche auf der Schreibstube. Trotzdem denke ich, daß ich, sollte das Regiment unterdessen nicht nach Frankreich kommen, in etwa 4 – 5 Wochen fahren kann. Daß ich mich darauf schon freue, können Sie sich denken.

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