Von der Viehzucht

Die Methoden der Viehzucht haben sich im Verlauf der letzten hundert Jahre grundlegend geändert. Bis etwa zum zweiten Weltkrieg erfolgte die Fortpflanzung – und damit der eventuelle Zuchtfortschritt – per sogenanntem „Natursprung“ nach Auswahl mutmaßlich geeigneter Zuchttiere.

Dabei wird dem männlichen Zuchtrind – dem Bullen, nicht dem (kastrierten) Ochsen – eine (im Lauf der Zeit) größere Zahl weiblicher Zuchttiere zugeführt. Gut vererbende Vatertiere wurden verwendet, solange sie fruchtbar deckten. Auch alte und schwere Zuchtbullen deckten noch erfolgreich jüngere und leichtere weibliche Tiere bei entsprechender Fütterung und Bewegung. Auf einen Bullen durften jedoch nicht mehr als ca. hundert weibliche Tiere treffen. Entsprechend groß war der Bedarf an gekörten Zuchtbullen der jeweils zur Zucht verwendeten Rassen.

Die Beschaffung und Haltung der männlichen Zuchttiere oblag einst der Gemeinde. Die Gemeinde Oberndorf übertrug die Haltung und den Ankauf des Zuchtbullen einem geeigneten Viehhalter. Dieser erhielt eine Entschädigung, die nicht nur seinen Kapitaleinsatz, sondern auch seine Mühe und sein Wagnis ausreichend vergütete.  Die Kosten der Entschädigung trugen die ortsansässigen Besitzer der über ein Jahr alten weiblichen Rinder anteilsmäßig. Bei entsprechendem Viehbestand im Ort war dies für den Bullenhalter ein einigermaßen einträgliches Geschäft, denn wer Milch oder Mastvieh produzieren wollte, musste vorher die Dienste des  Gemeindebullens für seine weiblichen Tiere in Anspruch nehmen. Jedenfalls war und ist die Geburt eines Kalbes Voraussetzung der Milch- und Rindfleischproduktion.

In der Zeit zwischen den Weltkriegen gab es in Oberndorf mehr als zehn Rindvieh haltende landwirtschaftliche Betriebe. Entsprechend „zu tun“ gab es deshalb auch für den Gemeindebullen. Die Rinderhalter merkten am Verhalten ihrer weiblichen Tiere, ob ein Besuch beim Bullen angezeigt war. War es soweit, wurde das Tier per Halfter und zu Fuß über die Dorfstraßen zum Bullen geführt. Begleitet war das Ganze von Lautäußerungen und zum Teil auch von widerwilligem Verhalten des Rindviehs. Beim Bullenhalter angekommen, holte dieser den unter Umständen mehr als 800 kg wiegenden Zuchtbullen am Nasenring aus seinem Stall und ließ ihn seine Arbeit verrichten. Auf Grund der natürlicher Weise gegebenen Aufregung der beteiligten Tiere, sowie deren Körpermasse, war der ganze Vorgang für die anwesenden Personen nicht ungefährlich.

Insgesamt sorgte dieses unvermeidliche Geschehen für Abwechslung im Alltagsleben des Dorfes. Konnte man doch die Qualität und den Zustand des Zuchtviehs seines Nachbarn begutachten und kommentieren, zuweilen riß sich ein Tier beim Gang durch den Ort los und musste in Zusammenarbeit mit anderen Landwirten wieder eingefangen werden etc. Für Gesprächsstoff war so in der Regel gesorgt.

Die Züchter waren organisiert in Zuchtverbänden und Herdbuchgesellschaften. Ein erfolgreiches Mitglied der Glan-Donnersberger Herdbuchgesellschaft war der Oberndorfer Züchter Friedrich Bauer. Er erzielte mit seiner Glan-Donnersberger Zuchtkuh „Madonna“ auf der DLG- Ausstellung in München 1929 den III. Preis.

Madonna, Herdbuchnr.2877, geb. 12.02.1926

Madonna, Herdbuchnr.2877, geb. 12.02.1926, man beachte die Intention des Fotografen: wichtig ist nur das Rindvieh, der Eigentümer nur notwendige Staffage.

Um die zur Zucht verfügbaren Vatertiere einem größeren Kreis interessierter Züchter vorstellen zu können und um für eine effektive Vermarktung zu sorgen, veranstalteten die Zuchtverbände regelmäßig Zuchtviehauktionen.

So fand im November 1954 in Kaiserslautern in der zu diesem Zweck am Messeplatz neu errichteten Landwirtschaftshalle erstmals eine Zuchtviehversteigerung statt. Mit dabei als Star des Tages der in Oberndorf von Karl Spies, Felsenmühle, gezüchtete Zuchtbulle „Adonis“, ein Prachtexemplar der Glan-Donnersberger Rasse. Für ihn wurde ein Spitzenpreis von 4500,00 DM erzielt (zum Vergleich: Ein VW Käfer in der Standartausführung wurde damals zum Listenpreis von 3790,00 DM angeboten). Indes, er dankte dies seinem neuen Besitzer nicht, sondern versuchte sich aus dem Staub zu machen. Nach anfänglich gelungener Flucht wurde der Bulle schließlich von der Polizei in der Bismarckstraße gestellt, eingefangen und seinem neuen Herrn übergeben.

Landwirtschaftshalle Kaiserslautern, synonym für den Niedergang der nordpfälzer Landwirtschaft

Landwirtschaftshalle Kaiserslautern 2016, ein Symbol auch  für den Niedergang der nordpfälzer Landwirtschaft (euphemistisch:Strukturwandel)

In heutiger Zeit wurde die Methode „Natursprung“ nach und nach abgelöst durch den Einsatz tiefgefrorenen Spermas, welches durch einen sogenannten „Besamungstechniker“ verabreicht wird¹. Dieses tiefgefrorene Sperma stammt von wenigen Zuchtbullen, welche in besonderen Einrichtungen zu diesem Zweck gehalten werden. Aus diesem Grund und wegen des drastischen Rückgangs des Milchviehbestandes im Gebiet der Nordpfalz besteht in der Gegend auch kein Bedarf mehr für Zuchtviehauktionen, geschweige denn Zuchtbullenhaltung.

 

¹Achtung Männer! Vom Genderwahn befallene Schnepfen
und Spinatwachteln träumen  davon, dies auch in der
menschlichen Gesellschaft Realität werden zu lassen. 
Wehret den Anfängen.