Kriegschronik 1914 – 1918 II. Teil (1914-1915)

Der Kampf

Die Nachricht von der Erstürmung der Festung Lüttich verbreitete sich am frühen Morgen des 8. August. Es war dies ein sehr heißer Tag, 40° Celsius in der Sonne!
Der folgende Sonntag, für den ein außerordentlicher Buß- und Bettag angeordnet war, führte in beiden Gemeinden viele Teilnehmer ins Gotteshaus. Die Not der Zeit aber erforderte es, daß unmittelbar nach dem Gottesdienst die Erntearbeit wieder aufgenommen wurde. In unserem Tal merkte man wenig mehr von den Vorgängen draußen. Man hörte nur, daß von Münster am Stein aus sowohl auf der Rhein-Bahn als auf der strategischen Bahn, und über Kaiserslautern Truppenzüge in endloser Folge befördert würden. Hier bekommen wir nicht einen einzigen Zug mit Soldaten zu sehen. In dumpfen Bangen und quälender Ungewissheit ging der 10. August vorbei. Allgemein glaubte man, es liege etwas in der Luft, aber niemand wusste, was es sei. Alle Nachrichten blieben aus. Nur einige Erfolge gegen die Russen wurden gemeldet. Mit tiefer Befriedigung wurde das Vorgehen eines deutschen Minenlegers gegen die Themsemündung aufgenommen.
Der 11. August brachte die Nachricht, daß eine französische Abteilung, die von Belfort nach Mühlhausen vorgebrochen war, zurückgedrängt wurde. Das gab freudigen Mut, zumal in Mühlhausen sich ein Oberndorfer befand als Bahnbediensteter, um den sich seine alte Mutter Sorgen machte. An diesem Tag und am 19. August stand der Berichterstatter an der Bahn Posten, um es Ortseinwohnern, die diesen Dienst zu versehen hatten, aber mit dringender Erntearbeit beschäftigt waren, diese zu ermöglichen. Es herrschte in der ganzen Pfalz eine glühende Hitze, die die Erntearbeiten sehr förderte, aber unseren Soldaten draußen viel zu schaffen machte. Große Freude löste das siegreiche Gefecht bei Lagarde, bei dem sich die Bayern hervortaten, in der Heimat aus. Die Ungeduld, mit der man neueste Nachrichten vom Kriegsschauplatz erwartete, wurde immer größer. Indessen schwärmten die unsinnigsten, wildesten Gerüchte durch die Luft. So wurde verbreitet: Das 5. bayerische Feldartillerieregiment und das erste schwere Reiterregiment seien völlig aufgerieben und 5000 Mann durch vergiftetes Brunnenwasser umgekommen; der Kronprinz von Preußen sei gefangen; Metz werde geräumt; Kaiserslautern sei bedroht u.s.w. Es machten sich einige frevelhafte Schwätzer ein Vergnügen daraus, möglichst große Aufregung zu verursachen. Der Eisenbahnverkehr war um diese Zeit, Mitte August, fast ganz eingestellt. Nur zwei Züge verkehrten täglich in jeder Richtung, dagegen zeigten sich immer mehr Kraftwagen auf den Straßen mit Kriegsbedarf. Von Seiten der Behörden wurden, um eine Verteuerung der Lebensmittel hintanzuhalten, Höchstpreise festgesetzt für Roggen auf 22, für Weizen auf 25, für Hafer auf 25,50, für Weismehl auf 45 Mark. Diese Preise wurden aber trotzdem in der Folgezeit bedeutend überschritten. Allmählich beruhigten sich die Gemüter etwas und gewannen Vertrauen zu der Deutschen Heeresführung und den von ihr herausgegebenen Berichten. Am 16. und 17. August setzte Regenwetter ein. Die Post hatte ihren Fahrplan geändert. Sie kam morgens um 8 Uhr, mittags um 3 und abends um 8 Uhr von Alsenz und ging mittags um 1 Uhr und abends 1/2 7 nach dorten. Ungeduldig erwartete man jedesmal deren Ankunft und die Postsachen wurden sofort von den Einwohnern selber abgeholt. Die Zeitungen wurden schon auf dem Heimweg gelesen. Briefsachen von Soldaten brauchten 6 – 8 Tage, bis sie an Ort und Stelle kamen, was vielen als eine sehr lange Zeit erschien.

Da am 18. August wieder bessere Witterung eintrat, wurde die Erntearbeit wieder aufgenommen. Nach drei Tagen größter Spannung wurden wieder Erfolge der Deutschen in Belgien und in B. gemeldet. Immer mehr Kraftwagen rasten in scharfer Fahrt durch das Tal, während die Eisenbahn vom Militär fast garnicht mehr benutzt wurde.
Der Vormittag des 21. August brachte die Nachricht „Brüssel ist besetzt“. Nachmittags 1 Uhr fand eine Sonnenfinsternis statt, was ängstlichen Gemütern als ein schlimmes Zeichen erscheinen wollte. Und doch traf am Abend die Nachricht von einem großen Sieg der Deutschen bei Dieuze unter Führung des bayerischen Kronprinzen ein. Da an demselben die bayerischen Truppen stark beteiligt waren, herrschte große Sorge, weil viele ihre Angehörigen tot oder verwundet glaubten. Der Sieg selber verursachte großen Jubel.
29. August, die Gottesdienste sind fortwährend gut besucht. Die Frauen, deren Männer im Felde stehen, kommen in schwarzen Kleidern ohne Hüte zur Kirche. Aber leider gibt es auch in dieser schweren Zeit ganze Familien, die es nicht über sich bringen können, das Gotteshaus zu besuchen. Andere dagegen entschuldigen sich, wenn sie aus einem Grunde nicht erscheinen können. Die zwei aktiven Oberndorfer Soldaten sind verwundet, Lehrer Gunter Wenz, der in Zweibrücken und Joh. Schückler, der in Straßburg im Lazarett liegt.
Der katholische Pfarrer hat es für nötig gehalten auf der Kanzel dagegen Verwahrung einzulegen, dass in Lothringen katholische Pfarrer erschossen worden seien und doch wiesen die Zeitungen immer wieder neue Beweise auf, an der gehässigen Haltung der katholischen Pfarrer aus Elsass-Lothringen gegen die Deutschen.
Auch bestätigten im Laufe der Zeit eine ganze Anzahl an Soldaten dem Berichterstatter, wie die deutschen Soldaten sich gegen die Umtriebe der katholischen Pfarrer wehren mussten. Sie wirkten teils erschrocken, teils gefangen gesetzt und ihm Geiste zerstört. Zu selbem in Oberndorf konnte man von Katholiken die Äußerung hören, „es mache gar nichts aus, wenn die Franzosen kämen: dann würde alles katholisch“. Wie kommt das Volk zu solchen Äußerungen?
Die letzten Augusttage brachten fortwährend neue Nachrichten von neuesten Fortschritten unserer Truppen in Belgien und Nordfrankreich, was große Freude hervorrief  und gute Hoffnungen erweckte. Bis längstens Weihnachten, glaubte man, werde der Krieg zu Ende sein!

Die Ernte

Bei der sehr günstigen Witterung war die Ernte Ende August eingebracht und oft über alles Erwarten gut ausgefallen.

Weitere Kämpfe

Der Sedanstag ging still vorüber in der Hoffnung auf baldige Siegesnachrichten. Die Spannung darauf war sehr groß. Allgemein herrschte das Gefühl, daß etwas besonderes zu erwarten sei. Die Soldaten bemerkten in ihren Briefen „Eine Entscheidungsschlacht steht bevor“! Am 9. September trafen die Nachrichten von Siegen der Österreicher über die Russen und dem Zurückdrängen von 10 französischen Armeekorps bei Reims ein. Die Deutschen näher an Paris! Die französische Regierung in Bordeaux. Getreidepreise: Hafer 21,50, Roggen 20, Weizen 24 Mark.
Sonntag, den 6. September. Musste auch die Kirchweihe ausfallen, so herrschte an diesen Tagen doch Freude, weil der Brand der Festung Maubeuge gemeldet wurde. In aller Frühe des 9. September musste der Familie Schlarb die Mitteilung gemacht werden, daß ihr Sohn Friedrich am 2. September gefallen sei. Es war dies keine leichte Aufgabe für den Pfarrer! Wenn es nur Gottes Wille wäre und es kämen keine Trauernachrichten hier an! Das Jahr 1914 ging auch ohne weitere Verluste für Oberndorf und Mannweiler vorüber. Aber die Familie Wenger in Cölln verlor am 28. September einen Sohn und am 23. Dezember eine kriegsmäßig getraute junge Frau – Wilhelmine Linn von Oberndorf – ihren Mann. Die Kunde von dem Fall der Festung Maubeuge, die am 8. September eintraf, sowie die in den nachfolgenden Tagen eintreffenden über Gefechte bei Paris, vor Verdun und in Ostpreußen ließen die Hoffnung groß werden, der Krieg könnte bald zu Ende gehen. Die immer zahlreicher zurückkommenden Verwundeten und die größer werdende Zahl von Vermißten ließen immer deutlicher werden, wie furchtbar schwer der uns aufgezwungene Kampf ist. In die stetig zunehmende Erwartung neuer Siegesnachrichten mischen sich die unsinnigsten Gerüchte. So wurde am 17. September verbreitet, die Franzosen seien im Anmarsch auf Kaiserslautern. Dabei stand es um unsere Sache sehr gut und es wurde mit Glockenläuten begrüßt, als am 18. September siegreiche Gefechte unserer Truppen vor Paris gemeldet wurden. Mit ganz besonderer Freude wurde die Vernichtung von drei englischen Kriegsschiffen durch ein deutsches Unterseeboot am 29. September aufgenommen.
Wie schnell sich aber doch der Mensch an alles gewöhnt! Hier geht alles seinen Gang, als ob gar kein Krieg wäre. Man spricht nur noch des Gespräches halber vom Krieg. Wer selbst nicht unmittelbar von der Kriegsnot betroffen ist, hat vielfach gar kein Verständnis für das, was Anderer Herz bewegt, wie diese in Angst und Sorge sind. Diese beteiligen sich auch in geringstem Maße an der Liebesarbeit. Ja, ein Einwohner von Oberndorf hatte sich einen feinen und klugen Plan ersonnen, wie er den Schrecken des Krieges, falls sie in unsere Gegend getragen werden sollten, zu entgehen gedachte. Er malte sich die Sache so aus: „Wenn die Franzosen kommen, schlachte ich ein fettes Schwein, lade sie zum Essen ein, bewirte sie gut und dann werden sie meine Familie und mein Anwesen in Ruhe lassen“. Für die Feinde hätte dieser Mann einige Hundert Mark übrig gehabt, für die Soldaten des eigenen Landes blieb seine Hand ziemlich verschlossen. Nur wenige Mark, die in keinem Verhältnis zu seinem Vermögen und zu dem Gewinn, den ihm der Krieg gebracht hat, standen, wurden von ihm gespendet. Er selber hatte aber niemand im Felde stehen und spürte darum nichts von der schweren Zeit am eigenen Fleische. Solche Erfahrungen wurden übrigens auch anderwärts mehrfach gemacht, wie aus der Zeitschrift „Die Dorfkirche“ hervorgeht.
Vermehrte Arbeit brachte dem Pfarrer der Wiederbeginn der Schule anfangs Oktober. Da nämlich die Mitführung der protestantischen Schule in Oberndorf dem katholischen Lehrer daselbst umfänglich übertragen war, hatte der Pfarrer den ganzen Religionsunterricht zu übernehmen. Diese Anordnung blieb fortbestehen, als die Oberndorfer Schule dem protestantischen Hilfslehrer von Mannweiler übertragen wurde. Es war dies umso notwendiger, als es sehr schwer gefallen wäre, für den Fortbildungsunterricht eine geeignete Zeit heraus zu finden.
Der Fall von Antwerpen wurde am 9. Oktober mit Glockengeläut gefeiert. Die Fruchtpreise waren anfangs November sehr hoch gestiegen. Weizen wurde mit 28 M, Roggen mit 26, Gerste mit 23 Mark bezahlt. In Erwartung noch höherer Preise verkauften die Landwirte keine Kartoffeln zu 3,50 – 4 M.
Es war für arme Familien, deren Ernährer im Feld standen, sehr hart, zumal das Brot und das Fleisch sehr in die Höhe gingen, nämlich auf 90 Pf.
Je näher das Weihnachtsfest heranrückte, umso größer wurde die Hoffnung, um so lauter der Wunsch, es möchte den Frieden bringen. Aber Weihnachten und Neujahr gingen vorüber, ohne daß sich auch nur die leiseste Spur davon zeigte, daß es bald Friede werde. So einfach ist wohl auch selten Weihnachten gefeiert worden und so still Neujahr noch selten vorüber gegangen als diesmal. Die Gottesdienste waren sehr gut besucht und die Abendmahlfeiern an Weihnachten wiesen mehr Teilnehmer auf als sonst, obwohl doch viele Männer nicht zuhause waren. An Weihnachten wurde den Angehörigen der drei bis dahin Gefallenen vom Pfarrer Gedenkblätter vom Kunstverlag Henkel in Stuttgart übergeben, die mit herzlichem Dank entgegen genommen wurden. Dieselben haben oben die Inschrift „Sei getreu bis in den Tod“! Die Heilandsgestalt schwebt über Kriegergestalten, die tot oder sterbend am Boden liegen, während ihre Fahnen siegreich weiter getragen werden. Am Fuße des Blattes findet sich der Aufdruck „Im Feldzug 1914 fand den ehrenvollen Tod fürs Vaterland“. Darunter wurde der Name des Gefallenen, sein Geburtstag, der Tag und der Ort, an dem er gefallen ist, eingetragen. Solche Blätter erhielten die Familien Schlarb – Oberndorf, Wasem – Morsbacherhof und Wenger – Cölln. Seit August waren Eugen Zepp – Oberndorf und Jacob Wenz vom Bremrich vermißt.

Das Kriegsjahr 1915

Die Lebensmittel

In der bestimmten Erwartung, daß das neue Jahr wenigstens den Frieden bringen werde, trat man in das selbe ein. Aber die Vorbereitungen, die zu Beginn des Jahres getroffen wurden, ließen erkennen, daß noch kein Ende des furchtbaren Ringens abzusehen sei. Alle Vorräte an Brotgetreide und Mehl wurden beschlagnahmt. Die wichtigste Neuerung aber war die Einführung der Brotkarte, die im Februar erfolgte. Spätere Geschlechter werden sich darunter kaum etwas vorstellen können, weil sie ja bis dahin etwas Unbekanntes war. Zum besseren Verständnis sei dazu mitgeteilt, daß jedem Einwohner, ob klein oder groß, reich oder arm, für den Tag 200 später 250 gr. Brot zugeteilt wurden. Das wurde auf je 10 Tage umgerechnet und demnach jeder Familie eine Anzahl Karten zu je drei Pfund Brot zugewiesen. Innerhalb der aufgedruckten 10 Tage mußten die Karten verbraucht werden, sonst verloren sie ihre Gültigkeit. Anstatt des Brotes konnte auch eine entsprechende Menge Mehl bezogen werden, z.B. statt 3 Pfund Brot 2 Pfund Roggenmehl. Nur Roggenbrot gab es und Kriegsbrötchen aus Weizenmehl zu 80 gr. Wer letztere beziehen wollte, musste eine Brotkarte umtauschen auf 12 Brötchen. Bei Reisen gab es Sonderbrotmarken; sonst galten sie nur innerhalb des sogenannten Kommunalverbandes, der gewöhnlich ein Bezirksamt umfasste.
Das Roggenmehl wurde auf 95 und das Weizenmehl auf 82 % ausgemahlen, so daß beides Mehl dunkel war. Bei der Herstellung des Brotes mussten geriebene Kartoffeln oder Kartoffelmehl zugesetzt werden. So war dann auch bei uns eingetreten, was bei Hesekiel 4.16 geschrieben steht: „Sie mussten das Brot nach dem Gewicht essen und mit Kummer“.
Anfänglich nahm man diese Neuerung mit gemischten, ja mit bangen Gefühlen hin, glaubte man doch, mit der zugewiesenen Menge Brot nicht auskommen zu können. Bei kinderreichen Familien, die nicht haushalten und nicht kochen konnten, kam es anfänglich wirklich vor, daß das Brot längst alle war, bevor es neue Brotkarten gab. Bald aber wusste man sich einzurichten und es zeigte sich, daß die zugewiesene Menge ausreichte. Diese Einrichtung wurde nicht etwa deshalb getroffen, weil nicht genügend Brotfrucht vorhanden war, sondern weil man jede Vergeudung verhindern und sicher erreichen wollte, daß die Vorräte bis zur neuen Ernte ausreichen.
Für die Zeit der Feldarbeit wurde die Brotmenge vergrößert und auch allen schwer Arbeitenden zugestanden. So wie sich die neue Ernte übersehen ließ, wurde die tägliche Menge allgemein auf 250 gr. festgesetzt. Besser waren natürlich die daran, die auf Brotkarten verzichteten und sich mit ihren Vorräten selbst versorgten. Ihnen wurde eine entsprechende Menge Frucht oder Mehl gelassen, das Übrige aber beschlagnahmt. Wäre das letztere gründlich geschehen, dann wären auch die Selbstversorger, wie man sie nannte, nicht besser gestellt gewesen, als die Anderen. Aber man verstand es, gewisse Mengen Frucht und Mehl über das vorgeschriebene Maß zurückzuhalten und brauchte sich danach nicht einzuschränken.
Nach dem Einbringen der neuen Ernte verstand man diese Selbstversorgung auch besser. Diese Ungleichheit erzeugte manchen Unwillen, was sehr begreiflich ist. Der Preis des Brotes wurde ebenfalls vom Kommunalverband festgesetzt und zwar zunächst auf
1 Mark 50 für 6 Pfund in unserem Bezirk. Da dieser Preis aber in keinem Verhältnis zu dem Getreidepreis stand, wurde er bald auf 98 Pfennig ermäßigt, der dann das ganze Jahr hindurch galt. Ein Kriegsbrötchen (Marke) zu 80 gr. kostete 69 Pfennig. Schlimmer stand es um die Versorgung mit Kartoffeln. Da man zu der Zeit, als sie gelegt wurden, noch an keinen Krieg dachte, pflanzte man auch nicht mehr als sonst. Zum Glück war die Ernte derselben 1914 sehr gut ausgefallen, so daß große Vorräte vorhanden waren. Aber leider meinten manche mit dem Preis von 4 Mark, gegen 2 – 2,50 Mark in früheren Jahren nicht zufrieden sein zu können, verlangten vielmehr 5 – 6 Mark. Dadurch kam es, daß viele zurückgehalten wurden, die dann verfaulten. Im Jahr 1915 sah man sich besser vor. Jedes Fleckchen Erde wurde mitgenutzt und mit Kartoffeln bepflanzt, selbst alte Weinberge wurden ausgehauen und dazu verwendet. Und wiederum war die Ernte eine sehr ergiebige, manche wussten sie nicht alle in den Kellern unterzubringen. Der Preis war auf 3 Mark 50 festgesetzt. Aber auch dieser wurde durch allerlei Vorwände zu überschreiten gesucht und als nicht genügende Mengen zum Verkauf angeboten wurden, musste der Preis gegen Ende des Jahres auf 3,70 Mark erhöht werden. Das war für arme Leute, die kein eigenes Feld besaßen, sehr hart.
Ganz ungewöhnlich schnellte der Preis für Fleisch im Laufe des Jahres in die Höhe. Es war dies eine Folge davon, daß im vorangegangenen Winter aus Furcht vor Futtermangel 7 Millionen Schweine abgeschlachtet und zu Dauerware verarbeitet wurden. Viel von dieser Dauerware (Gefrierfleisch) ist zu Grunde gegangen. Von 90 Pfennig stieg das Schweinefleisch bis auf das Doppelte, ging dann wieder auf 1 Mark 20 zurück. Das Rindfleisch hielt sich ziemlich auf gleicher Höhe 1,20 – 1,30 Mark, ebenso das Kalbfleisch 1 M – 1 M 20. Außerordentlich teuer wurde allmählich das Fett aller Art und Öl. Außer Butter war fast kein Fett mehr zu bekommen. Der Höchstpreis für Butter wurde auf 1 Mark 50 festgesetzt, welche aber auch nur selten zu haben war. An manchen Orten wurde bis zu 2 M 50 dafür bezahlt. Die Ausfuhr aus den Bezirken war verboten, wurde aber doch des hohen Preises wegen auf alle Arten versucht, bis einige erwischt und ordentlich bestraft wurden. Das Speiseöl kam auf über 2 Mark das Liter  zu stehen, Schweineschmalz 1,8 Mark, Schweinefett gleich dem Rindfleisch, Maismehl 26 Pfennig, der Liter Bier 34 Pfennig. Für Heu wurde bei der Ernte ein Preis von 4 Mark bewilligt und später bis auf 6 M für den Zentner erhöht. Am meisten stiegen die Gerstenpreise, nämlich auf 370 und sogar 400 M die Tonne. Im Juli kostete Roggen 230, Weizen 270, Hafer 200 M die Tonne.
Mehr noch als im ersten Kriegswinter machte sich im zweiten ein empfindlicher Mangel an Petroleum geltend. Orte, die elektrische oder Gasbeleuchtung hatten, erhielten von der Zentralverkaufsstelle viel weniger zugewiesen als andere. Wer es irgend machen konnte, ließ sich hier darum elektrisches Licht einrichten. Von Ort zu Ort zog man, um ein paar Schoppen Petroleum zu bekommen. Spiritus- und Acetylenbeleuchtung wurde eingerichtet. Namentlich die Höfe waren recht schlimm dran. Aber auch diese Mißstände wurden ertragen und überwunden, aber freudig wurde das zunehmen der Tage begrüßt.

Die eigentlichen Kriegsereignisse, die ja 1915 oft außerordentlich bedeutend waren, wurden sehr lebhaft verfolgt. Mit freudiger Genugtuung wurde die Ankündigung der Reichsregierung begrüßt, daß vom 18. Februar an auf das schärfste mittels Unterseebooten gegen England vorgegangen werden solle, um dessen Aushungerungspläne zu vernichten. Wollte uns auch Amerika späterhin diese Waffe aus der Hand schlagen, sie wurde doch das ganze Jahr hindurch mit bestem Erfolg angewandt und jede Vernichtung eines englischen Schiffes bejubelt, jede Vernichtung eines Unterseebootes aufrichtig bedauert. Nicht geringe Freude verursachte das Vorgehen unserer Luftschiffe gegen England. Ganz besonderen Abscheu erregte die Ermordung von Unterseebootleuten durch den Dampfer Banlong und das Versagen von Hilfe für die Insassen eines Luftschiffes, die sich in Seenot befanden. An beidem konnte man so recht die Niedertracht und Unmenschlichkeit der Engländer kennen lernen. Sie mußten es büßen. Unsere Luftschiffe, die quer über England und auch Paris flogen, rächten unsere Helden. Schon im Februar 1915 lag bange Sorge wegen der Haltung Italiens auf den Gemütern, da die Telegrafenlinien dorthin, angeblich durch Schnee, unterbrochen war, machte man sich auf Schlimmes gefasst. Der Umstand aber, daß ungeheuere Mengen Kohle durchs Alsenztal nach Süden geschafft wurden, offenbar nach Italien, ließ immer wieder die Hoffnung aufleben, es werde nicht zum Bruch des seit 33 Jahren bestehenden Bündnisses kommen. Erst das Pfingstfest sollte die traurige Gewissheit bringen, Italien sei nun doch zum Verräter geworden. Eine besondere Erregung der Gemüter zeigte sich deshalb nicht mehr. Man hatte sich nach und nach an den Gedanken gewöhnt, aber ein tiefer Abscheu über diese Ehrlosigkeit griff um sich. Von Furcht war keine Rede, man bedauerte nur lebhaft, daß das Blutvergießen und Menschenschlachten vermehrt und verlängert wurde. Ein trauriges Stück Weltgeschichte! Daß bei diesem Verhalten der Italiener unsere Erfolge im Osten nur umso lauter und freudiger begrüßt wurden, war ganz selbstverständlich. Den Anfang machte Hindenburg in Ostpreussen, der 100 000 Russen gefangen nahm und 300 Kanonen erbeutete. Das waren gewaltige Zahlen. Dazu kamen als Fortsetzung die Siege in Galizien unter Mackensen, die jedes Herz höher schlagen ließen. Als dann  in rascher Folge die Festungen Przemysl und Lemberg zurückgewonnen und die sämtlichen in Polen erobert wurden, da atmete man erleichtert auf und glaubte das Ende des Krieges nahe. Leider war es eine Täuschung.
Allmählich hatte man sich an die Siege unseres Heeres so gewöhnt, daß man die Zurückweisung des gewaltigen Herbstangriffs der Franzosen und Engländer auf der Westfront, sowie das ungestüme siegreiche Vordringen auf dem Balkan als etwas ganz natürliches hinnahm. Auffallender Weise hatte die Pfarrgemeinde bei all diesen furchtbaren Kämpfen keine Verluste zu beklagen, obwohl auf fast allen Kriegsschauplätzen Angehörige mitzukämpfen hatten.
Doch ganz ohne Trauerbotschaft gimg das Jahr 1915 auch nicht vorüber. Die eine traf im April ein, wo Adolf Schlarpp vom Schmalfeld in den Vogesen fiel, und die andere in der Weihnachtswoche, die den Tod des Lehrers Ebersold in Nordfrankreich meldete.

Besondere Ereignisse

Einige Erlebnisse verdienen erwähnt zu werden.
Zunächst die Überführung französischer Landbevölkerung aus dem Kampfgebiet nach dem südlichen Frankreich. Mehrere Züge mit solchen fuhren durch das Alsenztal und wurden natürlich von der Bevölkerung, namentlich den Kindern, betrachtet. Sie machten einen sehr kläglichen Eindruck. Aber noch kläglicher war ihr Benehmen, streckten sie doch gegen die an der Bahnlinie Stehenden die Zungen heraus und dergleichen. Gewiß kein Zeichen besonderer Kultur!
Über die Pfingsttage, am 23. und 24. Mai, herrschte sehr schönes Frühlingswetter. Das brachte an den benachbarten Ausflugsorten Ebernburg, Münster, Kreuznach einen sehr lebhaften Verkehr. Man glaubte im Frieden zu leben. In den Lazaretten wurden die Verwundeten von ihren Angehörigen und Bekannten besucht und machten mit diesen, soweit sie nicht in die Heimat gereist waren, Ausflüge in die Alsenzgegend. Überall traf man Feldgraue. Am Pfimgstsonntag bekam man auch in unserer Gegend einen Begriff davon, was Artillerie – Trommelfeuer ist. Von 11 Uhr ab war ein solches so deutlich zu hören, als ob der Kampf sich bei Kaiserslautern abspielte, während er doch in der Champagne stattfand. Das Getöse war furchtbar und manches Auge wurde feucht beim Gedanken an die Opfer, die dieses wahnsinnige Feuer wieder kostete.
Merkwürdigerweise war von da ab den ganzen Sommer hindurch in unserer Gegend kein Kanonendonner mehr wahrnehmbar. Man schrieb das der zunehmenden Belaubung der Wälder und der wärmeren Luft zu. Erst am 4. Oktober war solcher wieder aus Südwesten zu vernehmen, obwohl der Wind aus Nordwesten kam: ferner am 21. Oktober und Mitte und Ende Dezember. Einzelne Schüsse hörte man immer, aber in der angegebenen Zeit war die Kanonade besonders lebhaft.
Eine nicht geringe Aufregung verursachte am 2. Juni die Ankunft eines Kraftwagens mit Militärpersonen, derselbe fuhr den Kirchberg herauf bis zur Kirche, zwei der Insassen zeichneten die Lage der Kirche und der anliegenden Häuser in ihre Karten ein. Sofort verbreitete sich das Gerücht: „Es sind russische Spione!“ Wie dieselben bei dem vorzüglichen Grenz- und Landesschutz noch so weit hätten ins Land hereinkommen sollen, danach fragte man nicht. Das Schwerlichste und Unwahrscheinlichste wurde immer am liebsten geglaubt.
Ein weiteres wichtiges Ereignis für unsere Gegend war die Landung eines deutschen Flugzeugs, die am 18. September bei St. Alban erfolgte. Wie ein Lauffeuer verbreitete sich die Kunde davon in der Umgebung und viele nutzten den darauffolgenden Sonntag, um dieses neue Kampfmittel in der Nähe zu betrachten. Nachdem Soldaten aus Metz herbeigerufen waren, wurde dasselbe auf Wagen verladen und auf den Bahnhof Mannweiler verbracht. Da konnte man es aus der Nähe besehen. Die Landung erfolgte aus Not, der eine Propeller war abgebrochen. Am 31. Dezember bewegte sich nachmittags wieder ein Flugzeug über unsere Gegend, über den Stahlberg hin auf Suche. Ein anderes war auf dem Stahlberg gelandet.
Das einzige, was unser Tal vom Militär in der Nähe zu sehen bekam, waren zwei Batterien preußischer Artillerie, die am 2. Oktober auf dem Marsch nach Kreuznach, ihrem Standort, hier durchkamen. Die Geschütze, zum Teil den Russen abgenommen, waren noch mit russischen Beutepferden bespannt. Die Leute hatten meistens ein sehr jugendliches Aussehen, waren aber wohlgemut und munter und griffen gerne nach dem Obst, das ihnen gereicht wurde.

Die Ernte

„Die Russen kommen!“ Dieser Ruf verbreitete sich in Windeseile am 12. Juli im Ort. Es war aber kein Schreckensruf. Nicht die von unseren Feinden so viel gepriesene „russische Dampfwalze“ rollte heran, sondern es waren nur einige Zähne, die von den Deutschen ihren Kameraden ausgebrochen waren – russische Gefangenen, die zur Verrichtung der Feldarbeit den Landwirten zugewiesen waren.
Fast gleichzeitig hieß es: „Die Franzosen sind da!“ Auch da handelte es sich nicht um gewaltsam eingedrungene Glieder der französischen Armee, sondern ebenfalls um Gefangene, die gleich den Russen den verhassten „Boches“ helfen mussten, die Felder abzuernten, das Brot einzubringen. Mit welchen Gefühlen das die Vertreter beider Völker taten, geht daraus hervor, daß die Russen sich einbildeten, das Feld für die Franzosen zu bestellen, und die Franzosen wähnten für sich selbst zu sorgen, da ja ihre Heere doch bald am Rhein stehen würden. Bald sahen sie ein, daß es Wahnvorstellungen waren. Abgerissene, verwahrloste, schmutzige, ausgehungerte, aber meist gut gebaute Gestalten waren die Russen. An ihnen konnte man sehen, wie trefflich Väterchen Zar für sie gesorgt hatte. Von ihren Uniformen hatten sie außer den dicken braunen Mänteln fast garnichts mehr. Der Verlausung wegen waren in den Gefangenenlagern alle ihre Kleider verbrannt worden. Mit allerlei zusammengestoppelten Kleidungsstücken notdürftig angetan, machten sie einen kläglichen, durchaus unmilitärischen Eindruck. Auch an ihrer Haltung merkte man wenig von militärischer Zucht. Es waren meist ältere, zur Zeit verheiratete Leute, die hier untergebracht waren. Aber zu ihrer Ehre muß gesagt werden, daß sie sich in das Unvermeidliche schickten. So wie sie merkten, daß man sie als Menschen behandelte und ihnen anmerklich die unersättlichen Mägen füllte, verrichteten sie ganz willig ihre Arbeit und suchten sich auf jede Weise nützlich zu machen. Ihre freien Stunden bei schlechter Witterung und an Sonntagen, benutzten sie zum Flechten von Körben. Mancher Russenkorb wird noch lange als Andenken fortbestehen. Allmählich, als sie herausgefüttert waren, von ihren Dienstherren alte Kleider bekommen oder sich selbst welche von ihrem Verdienst angeschafft hatten, machten sie auch äußerlich einen besseren Eindruck. Auch benehmen sie sich gegen die Einheimischen anständig. Zweierlei konnten sie nicht entbehren: Tabak und Schnaps. Im Vertilgen des letzteren waren sie Meister, wenn auch nüchterne darunter waren. Verbreiteten sich Nachrichten von Siegen über ihr Heer, so freuten sich manche, andere ärgerten sich, von der Unbesiegbarkeit Rußlands waren sie alle überzeugt. An dem Zar hingen sie alle mit Verehrung, dagegen waren sie auf den Großfürsten Nikolaijewitsch nicht gut zu sprechen. Er war ihnen der Urheber des Krieges.
Aus ganz anderem, viel geringerem Holze, waren die französischen Gefangenen. Nicht nur, daß man ihnen den Alkohol- und Zigarettengenuß so wie das Lasterleben anmerkte, sie trugen auch ein sehr freches, anmaßendes Wesen zur Schau. Felsenfest waren sie von dem Endsieg ihres Landes überzeugt und wenn sie Kanonendonner hörten, bildeten sie sich ein, ihre Landsleute würden bald kommen und sie befreien. Sämtliche hatten ihre Uniformen, zum Teil schon neue, feldblau, zum Teil noch die roten Hosen und lange blaue Waffenröcke, die ihnen um die Beine schlotterten. Das unvermeidliche Käppi und ein feldblauer Mantel vervollständigten die Kleidung. Zur Arbeit waren sie wenig geeignet und fast alle zeigten Trotz und Widerwillen. Es half sie aber alles nichts, sie mußten angreifen bei der Ernte. Nach derselben wurden sie alle bis auf einen wieder in die Gefangenenlager abgeschoben. Mit ihnen war ein Auskommen nicht gut möglich, obwohl sie ebenso behandelt wurden, wie die Russen. Die Vertreter der „Grande Nation“ haben einen schlechten Eindruck hinterlassen. Sie glaubten hoch über den Deutschen zu stehen, die Russen dagegen sahen sich alle Fortschritte der deutschen Landwirtschaft an und nahmen sich vor, bei ihrer Rückkehr in die Heimat das Gelernte zu verwenden. Auffallend war das Verhalten der „Verbündeten“ zueinander. Von einer Zuneigung derer, die doch gemeinsam die Deutschen bekämpften, war keine Spur zu finden. Nicht nur gleichgültig sondern geradezu feindselig standen sie einander gegenüber. Offenbar gaben sie sich einander Schuld an ihrem Mißgeschick, aber die Franzosen fühlten sich zu erhaben, sich mit dem russischen Gesindel abzugeben. Bei den Märschen von und zu der Unterkunft, die sich in Alsenz befand, gingen sie immer getrennt, ja die Franzosen eilten lieber freiwillig dorthin, als mit den Russen zu gehen. Der gallische Hochmut konnte sich auch den Leidensgenossen gegenüber nicht verleugnen. So hat es in unserer Gegend eine Zeit gegeben, da man drei Sprachen hören konnte: Deutsch, Russisch und Französisch. Möge sie nie wiederkehren.
Diese Hilfe der Gefangenen bei den landwirtschaftlichen Arbeiten war nicht nur sehr willkommen, sondern dringend erforderlich. Arbeitskräfte waren ja im Kriegsjahr 1915 fast nicht mehr vorhanden. Leute beiderlei Geschlechts, die sich schon zur Ruhe gesetzt hatten, mussten noch einmal zugreifen, als stünden sie noch in den besten Jahren. Die Hauptarbeit lag allerdings auf den Frauen und Kindern. Denn wenn auch die Männer zeitweilig für ihre Arbeiten Urlaub bekamen, so war derselbe doch immer so kurz, daß kaum die nötigsten Änderungen getroffen, geschweige denn dringende Arbeiten vollständig erledigt werden konnten. Mit bewundernswertem Eifer wurde auch alles geschafft. Frauen und Kinder sah man Fuhrwerke benutzen – ein sonst ungewohnter Anblick. Auch halfen sich manche Familien einander wacker aus, wenn es auch einige gegeben hat, die nur an sich dachten und, da sie nicht in Mitleidenschaft gezogen waren, sich um die häusliche Not der Kriegerfrauen nicht kümmerten.
Mit Gottes Hilfe konnte auch diese zweite Kriegsernte glücklich eingebracht werden. Das Wetter war günstig, so daß alles rasch von statten ging. Auch der Ertrag war zufriedenstellend. Das Getreide fiel gut aus und war die Kartoffelernte zum Teil überreichlich. Sorgfältig gepflegte Weinberge ergaben einen vollen Ertrag. Bei dem Mangel an Arbeitskräften konnte aber nicht allen Weinbergen die nötige Pflege zuteil werden, sie hatten darum unter Krankheiten zu leiden und brachten gar keinen Ertrag. Obst gab es, abgesehen von Zwetschgen, die Menge, was von großer Wichtigkeit war, konnte es doch beim Mangel als Zusatz verwendet werden. Viel wurde auch an die Lazarette abgegeben. Auch Gemüse aller Art gab es genug.
Hatte man mit zagem Herzen am Sonntag Rogate einen Bittgottesdienst für die Ernte gehalten, so konnte das Erntedankfest mit frohem Gefühle gefeiert werden.

Das tägliche Leben
blieb auch im Jahr 1915 auf der gleichen Höhe wie 1914. Die Gottsdienste waren selbst zur Zeit dringenster Arbeit gut besucht, die in die Heimat Beurlaubten nahmen fast regelmäßig daran teil und die Zahl der Abendmahlgäste war, trotzdem etliche 70 Männer abwesend waren, größer als die letzten 9 Jahre. Fast sämtliche Urlauber besuchten auch den Pfarrer oder suchten sonst mit ihm zusammenzutreffen, wie dann auch der briefliche Verkehr ein sehr enger blieb. Das Aussehen und körperliche Befinden der Krieger war fast durchweg ein sehr gutes. Nicht besonders gut war es dagegen mit den Schulverhältnissen bestellt. Vom 1. Mai 1915 an wurden die beiden Schulen in Oberndorf, die protestantische und die katholische, von dem katholischen Lehrer geführt. Dann war die protestantische für die Zeit vom 20. September bis 1. Oktober dem Lehrer aus Mannweiler übertragen. Da dieser erklärte, den Organistendienst in Oberndorf zu versehen, hielt der katholische Lehrer den Unterricht weiter, während der Lehrer aus Mannweiler die Schule dortselbst wie bisher mitführte. Der dortige Verweser war nämlich am 1. Mai eingerufen worden und zwar zum 1. bayerischen Ulanenregiment in Bamberg. Dazu kam noch, daß die Herbstferien verlängert wurden, die Unterrichtszeit vermindert und der Unterricht öfter ausgesetzt wurde z.B. bei Siegesfeiern. Im Herbst erkrankten zudem fast alle Kinder nach und nach an Masern. Sehr lebhaft wurden diese mißlichen Verhältnisse von den Eltern beklagt. Die Kinder sind nicht viel gefördert worden, was doch ganz besonders notwendig gewesen wäre. Auch nach dem Tode des Oberndorfer Lehrers führte der katholische die Schule mit bis zur Wiederbesetzung der protestantischen Stelle. Ähnlich lagen die Verhältnisse auf dem Schmalfelderhof. Auch dort nur halber Unterricht, der vom Gaugrehweiler Lehrer versehen wurde.
Das 2. Weihnachtsfest im Felde löste wieder eine rege Liebestätigkeit aus. Nicht nur daß für die öffentliche Sammlung 97 Mark gespendet wurden, es wetteiferten auch die Ortsangehörigen im Erweisen des Dankes. Diesmal raffte sich auch der Gemeinderat zu einer Tat auf und sandte jedem Kriegsteilnehmer ein Geschenk. Dasselbe geschah auch in Mannweiler und Cölln. Das Ende des Jahres brachte noch einen schmerzlichen Trauerfall. Die Frau des in Marokko gefangenen Philipp Fiscus in Cölln erlitt am 31. Dezember einen Schlaganfall, dem sie nach wenigen Minuten erlag. Die Beerdigung derselben fand am Sonntag, dem 2. Januar 1916, statt und es beteiligte sich an derselben eine solche Menschenmenge aus der ganzen Umgegend, daß Cölln ähnliches noch nicht gesehen hat.
Während die Zahl der Taufen sich im Jahr 1914 nur auf 11 belief, waren es im Jahr 1915 davon 15. Bei 7 musste die Bemerkung hinzugefügt werden: Getauft während der Vater im Felde stand. Die Zahl der im Jahr 1915 Verstorbenen betrug 13 und übertraf die von 1914 um 2. Dazu kommen 1914 drei Gefallene und 1915 einer.
Kirchliche Trauungen fanden in den Jahren 1914 und 1915 in der Pfarrei keine statt. Drei Paare wurden außerhalb kriegsmäßig, ohne kirchliche Einsegnung getraut. In zwei Fällen ist der Mann nicht mehr aus dem Feld heimgekehrt, so daß die Ehen nur kurze Zeit bestanden. Die kirchliche Trauung des anderen Paares wird wohl nach Friedensschluß nachgeholt werden.