Mitte des 19. Jahrhunderts erfolgte in der Pfalz fast flächendeckend die Gründung von Männergesangvereinen. Ursache war vor dem Hintergrund langsam steigenden Wohlstandes und der immer mehr in die Lehrpläne der Volksschulen übernommenen Schulmusik der Drang nach unterhaltsamer Geselligkeit und zum Teil wohl auch politische Motivation. Musik war jedenfalls unverzichtbare Beigabe zu Fest- und Tanzvergnügen aller Schichten und da es damals weder Radio noch elektrischen Strom gab, blieb nur der Weg entweder über einen Musikverein oder über einen Gesangverein für die nötige Festbegleitung zu sorgen. Das Vereinsrecht bot dafür den entsprechenden Rahmen. In Oberndorf gab es schon vor den Vereinsgründungen zwei mutmaßlich konfessionell orientierte lose organisierte Gesangsgruppen.
Nur von einem dieser beiden Gesangvereine kennen wir den Namen, “ Eintracht“. Die Gründungsurkunde (in Sütterlinhandschrift) ist erhalten und wird nachfolgend im Wortlaut wiedergegeben.
Gründung des Vereins
In den ersten Tagen des Monats April 1859 traten einige Freunde des Gesanges zusammen um sich über die Mittel und Wege zu berathen, durch welche die Gründung eines Gesangvereins in dem Orte Oberndorf zu ermöglichen sei. Nach reiflicher Erwägung einigten sie sich dahin, daß sie eine größere Anzahl junger Männer um sich versammeln wollten, denen ihr beabsichtigtes Vorhaben mitzuteilen, und hierüber sodann mit denselben eine gründliche Vorberathung zu pflegen sei.
Auf Grund dieser Einigung ließ Herr Franz Botens dahier ein Rundschreiben ergehen, nach welchem er die unten genannten Personen einlade, sich auf Samstag, den 2. April, Abends 8 Uhr in seiner Wohnung zu dem angegebenen Zwecke einzufinden.
An dem Tage und zur bestimmten Stunde haben sich die Eingeladenen in der Wohnung des obengenannten Franz Botens versammelt:
1. Georg Graff, Müller
2. Franz Botens, Bäcker
3. Johannes Grimm, Hufschmied
4. Carl König, Taglöhner
5. Heinz Scheidel, Dienstknecht
6. Peter Müller, Taglöhner
7. Carl Hübsch, Handelsmann
8. Philipp Neubrecht, Ökonom
9.Friedrich Fröhlich, Ökonom
10.Christian König, Ökonom
11. Heinz König, Ackersmann
12. Lothar Junk, Wirth
13. Johannes Junk, Ackersmann
14. Jacob Bauer, Ackersmann
15. Nickolaus Hall, Lehrer
16. Jacob Bohsong, Ackersmann
17. Christian Wolf, Steinhauer
18. Heinrich Stock, Blechschmied
19. Heinrich Weinheimer, Steinhauer
20. Martin Betz, Steinhauer
21. Valentin Walter, Ackersmann
Nachdem Herr Georg Graff den also versammelten den Zweck ihrer Berufung mitgetheilt hatte, traten dieselben miteinander in Berathung und gaben sodann auf Grund derselben die einstimmige Erklärung ab, daß die Gründung eines Gesangvereines in hiesigem Orte wünschenswerth und daß demnach zum Behufe der devinitiven Constituierung derselben eine Generalversammlung unter dem 9ten April anzuberaumen sei. Bei dieser Gelegenheit, durch das Mitglied Carl Hübsch der Entwurf der Vereinssatzung in Vorlage zu bringen sei.
Von dem anderen ehemals existierenden Gesangverein fehlt jegliche Überlieferung. Tatsache ist allerdings, dass sich am 7. Januar 1910 des Abends die aktiven Mitglieder der beiden zu Oberndorf bestehenden Gesangvereine in der Wirtschaft von Jean Schückler trafen und beschlossen von nun an gemeinschaftlich unter dem Namen „Männergesangverein Oberndorf“ den Gesang zu fördern und zu pflegen. “ Sämtliche Festlichkeiten und Unterhaltungen sollen von nun an gemeinschaftlich geführt werden, vorstehende Statuten sollen für die Zukunft maßgebend sein“.
Das Verdienst der Zusammenführung der beiden Vereine kommt dem im ersten Weltkrieg gefallenen Lehrer Ebersold zu, welcher die Fusion auf den Weg brachte. 64 Mitglieder hatte der Verein 1910. Die Dirigenten des Vereins rekrutierten sich in aller Regel aus den örtlichen Schullehrern, die auf Grund ihrer Ausbildung über Kenntnisse im Musikunterricht verfügten.
Zweck des Vereins war es den Gesang in vielfältiger Weise zu fördern. Dazu gehörten neben den obligatorischen Sängerfesten und Konzerten auch Auftritte während Gottesdiensten. Zugleich wirkte sich die Gesangsausbildung der Männer auch auf die Qualität des gemeinsamen Singens von Kirchenliedern aus, jedenfalls war in der Zeit des bestehens einer aktiven Sängergruppe jeder Gottesdienst – so er von den Sängern besucht wurde – im Hinblick auf den Sangesvortrag der Kirchenlieder ein beeindruckendes Erlebnis.
Unabhängig davon engagierte sich der Männergesangverein auch bei den örtlichen Beerdigungen. Da fast jede Familie in Oberndorf ein aktives oder passives Mitglied des Gesangvereins stellte, sah es der Verein als seine Pflicht an, bei der Gestaltung der Beerdigungen mitzuwirken. In der Regel lief dies folgendermaßen ab: Auf Grund des Fehlens einer Aussegnungshalle (diese wurde erst 1974 erbaut) wurden die Verstorbenen in ihrer Wohnung aufgebahrt. Am Tage der Beerdigung erschienen die aktiven Sänger des Vereins an der Wohnung des Toten. Man war dem Anlass entsprechend angezogen und sang vor dem Haus ein für diesen Anlass ausgesuchtes Trauerlied. Anschließend begaben sich die sechs Sargträger (in der Regel aktive Sänger), alle mit Gehrock und Zylinder ausgestattet, in das Trauerhaus und trugen den Sarg zum Fiedhof. War dies ein längerer Weg, so wurde unterwegs gewechselt. Zudem hatten auf Anweisung des Schullehrers die Schulkinder beim Trauerhaus zum angesetzten Zeitpunkt zu erscheinen. Ihnen wurde die Aufgabe übertragen, die von befreundeten oder sonstwie verbundenen Familien gespendeten Trauerkränze vom Trauerhaus zum Friedhof zu tragen. In aller Regel setzte sich so ein stattlicher Trauerzug in Richtung Friedhof in Bewegung. Vorweg ging der Pfarrer, gefolgt von den Sargträgern mit Sarg, diesen folgte die Familie des Toten. Im Anschuss daran folgten die aktiven Sänger und denen widerrum die Schulkinder mit den Kränzen. Den Schluß bildete die Trauergemeinde, so dass meist ein imposanter Trauerzug zustande kam. Ab und an kam es auch zu Gesprächsstoff liefernden Zwischenfällen, so, als ein mit dem Verstorbenen zu Lebzeiten in Streit lebender Anwohner beim Passieren des Sarges sein Fenster öffnete und den Sargträgern nachrief „in die Gruft mit dem Schuft“.
Auf dem Friedhof hielt dann der Pfarrer seine Predigt und sowohl der Gesangverein als auch die Schulkinder (meist „So nimm denn meine Hände“) brachten ein Lied zum Vortrag bis dann schlussendlich der Sarg ins Grab gelegt wurde. Insgesamt war dies eine feierliche Veranstaltung, welche die Anwesenden in einer Weise emotional berührte die heutzutage nicht mehr denkbar ist.
Überhaupt verstand sich der MGV als weitgehend zuständig für das kulturelle Leben des Dorfes. Typischer Weise veranstaltete man jährlich ein Konzert mit Ball. Nach dem Bau der Gemeindehalle trat der Verein auch lange Jahre als Veranstalter der Dorfkerwe auf. Dabei war er wirtschaftlich sehr erfolgreich, jedenfalls konnten aus den Erträgen der vom Verein durchgeführten Veranstaltungen im Laufe der Zeit ca. 25 000.- DM für die Vervollständigung der Einrichtung der Gemeindehalle an die Gemeinde gespendet werden.
Seit den 20iger Jahren des vergangenen Jahrhunderts versuchte sich der MGV auch in Bühnenstücken und Schauspiel.So wurde beispielsweise „Die Bürgermeisterwahl“ und „Das große Los“ von Richard Müller, Obermoschel, mit großem Erfolg aufgeführt.
Auch gehörte ein Vereinsausflug zum jährlichen Programm des MGV.
Auch bei der Dorfverschönerung war der Verein tätig, so pflanzte man ende der 1950er Jahre eine Dorflinde.
Das größte Ereignis der Vereinsgeschichte war wohl das 100jährige Vereinsjubiläum.
Festtage waren der 12. und 13 Juni 1960. Das dazu errichtete Festzelt stand auf der Wiese rechts der Felsenmühle. Es gab kein Haus in der Gemeinde, welches aus diesem Anlass nicht mit Grün- und Fähnchenschmuck ausgestattet war.
In das vollbesetzte Festzelt zogen die Ehrendamen mit der neuen Vereinsfahne ein. Nach den üblichen Glückwunschreden der geladenen Gäste sowie der Sängerehrung gaben die anwesenden Brudervereine Proben ihres Könnens. Im Anschluss spielte die Musikabteilung des Gesangvereins Münsterappel zur Unterhaltung.
Am 2. Festtag marschierte der Gesangverein und die gesamte Bevölkerung zum Ehrenmal bei der Kirche um allen toten Sangesbrüdern und Gefallenen zu gedenken.
Am Nachmittag erfolgte ein Freundschaftssingen der Brudervereine, verbunden mit Musikvorträgen. Abends endete das Vereinsjubiläum mit einer Tanzveranstaltung im Festzelt an der Felsenmühle.
Im Laufe der Zeit ließ jedoch das Interesse am Gesang nach. Im Jahr 1986 gelang es schon nicht mehr einen neuen Vorstand zu wählen. 1989 versuchte man dem Verein neues Leben einzuhauchen, in dem man eine Abteilung „gemischter Chor“ hinzufügte. Dies alles konnte jedoch den Niedergang des Vereins nicht aufhalten. Im Berichtsbuch des Schriftführers des MGV ist als Datum der letzten Generalversammlung der 2.03.1995 verzeichnet.
Ende 2018 wurde der MGV Oberndorf aus dem Vereinsregister abgemeldet. Die Lücke, die er im kulturellen Dorfleben hinterließ, wird heutzutage im Wesentlichen vom Feuerwehrförderverein und dem Oberndorfer Carneval Club OCC gefüllt.