Die Nordpfalz im Krieg von 1870/71

-woher der Name des Oberndorfer Ortsteils „Heerdell“ kam-

Um die nachfolgend geschilderten Ereignisse verstehen zu können, ist es erforderlich deren Vorgeschichte zu kennen.
Beginnen wir mit der Zeit ca. Mitte des 19. Jahrhunderts. Nach dem Ende des französischen Kaiserreichs unter Napoleon dem I. bestand Deutschland aus einer Vielzahl kleiner Staaten, die sich lose im „Deutschen Bund“ organisiert hatten. Im Norden Deutschlands dominierte Preußen, welches sich nach dem Sieg im Bruderkrieg gegen Österreich und dessen Verbündeten (u.a.Bayern) 1866 alle deutschen Staaten nördlich der Mainlinie einverleibt hatte. Die süddeutschen Staaten, welche an der Seite Österreichs gekämpft hatten, band Preußen durch Geheimverträge sowie den Zollverein an sich. Ziel war die nationale Einigung.

Gegen diese nationale Einigung arbeitete vor allem der damalige französische Kaiser Napoleon III. Dieser und große Teile der Öffentlichkeit in Frankreich hielten einen Krieg gegen Preußen aus Gründen der „nationalen Ehre“ für unausweichlich. „Rache für Sadowa“ (Königgrätz) war seit dem Sieg Preußens über Österreich dabei das Schlagwort, hatte dieses Ereignis und der anschließende Friede die Stellung Frankreichs in Europa doch geschwächt.

Diese kriegerische Einstellung Frankreichs gegenüber Preußen war auch in Deutschland gut bekannt, man rechnete mit einem baldigen Krieg. Angesichts der drohenden Kriegsgefahr plante kein geringerer als der Chef des preußischen Generalstabs, Generalfeldmarschall Helmuth Graf von Moltke, wie einem eventuellen französischen Angriff zu begegnen wäre.
Da die französische Armee damals als die modernste der Welt galt und sich eines der am besten ausgebauten und dichtesten Eisenbahnnetze Europas bedienen konnte, rechnete man beim preußischen Generalstab damit, dass die französische Armee früher als die deutsche im Falle eines Falles einsatzbereit war und dementsprechend in Deutschland eindringen konnte, ohne dass dies zu Beginn eines Krieges zu verhindern gewesen wäre.
Aus preußischer Sicht erwartete man, dass ein französischer Angriff zum einen den Raum Saarbrücken zum Ziel haben könnte und zum anderen ein Hauptstoß entlang der heutigen B 40 (der „Kaiserstraße“) Richtung Mainz gehen würde. Als weitere Möglichkeit zog man einen französischen Angriff aus dem Elsass heraus auf rechtsrheinisches Gebiet in Betracht.

Dementsprechend plante man die Abwehr dieser mutmaßlichen Angriffe:

Die Dritte Armee, welcher die Truppen der süddeutschen Verbündeten Preußens zugeordnet waren, sollte im Raum Germersheim – Landau konzentriert werden, um einen französischen Angriff aus dem Elsass heraus auf rechtsrheinisches Gebiet in der Flanke bedrohen zu können. Der Ersten preußischen Armee wurde als Bereitstellungsraum die Gegend um Trier zugewiesen, um einen eventuellen französischen Angriff aus dem Grenzgebiet um Saarbrücken abwehren zu können.
Zur Abwehr eines französischen Angriffs entlang der Kaiserstraße Richtung Mainz sollte die Zweite preußische Armee bereitstehen. Nach der Planung Moltkes sollten die 200 000 Mann dieser Armee in einer Flankenstellung, die sich von Alsenz als rechtem Flügel über Kirchheimbolanden bis Eisenberg als linkem Flügel hinzog, den französischen Vorstoß erwarten und die feindliche Armee bei Marnheim in die Zange nehmen und in offener Feldschlacht besiegen.

Dieses Zenario bildete die Grundlage der generalstabsmäßigen Planung des Aufmarsches der deutschen Armeen in einem künftigen Krieg mit Frankreich.

Am 19. Juli 1870 war es dann soweit, Frankreich erklärte Preußen den Krieg.

Wie vorgesehen wurde daraufhin der preußische Aufmarschplan in die Tat umgesetzt. Schon am 25. Juli begann auf den Bahnhöfen Bingen und Bad Kreuznach die Ausladung des zur II. Armee gehörenden 3. Armeekorps (die Alsenztalbahn war noch nicht fertig gestellt). Sofort wurden Vorausabteilungen bis Bad Münster und Wörrstadt vorgeschoben. Zudem erhielt am 29. Juli 1870 die zum Verband der II. Armee gehörende 6. Kavalleriedivision Weisung, aus ihren Quartieren im Raum Sprendlingen – Gaualgesheim über Fürfeld, Meisenheim, Kusel und Neunkirchen an die Grenze zu Frankreich abzurücken. Die 6. Kavalleriedivision setzte sich zusammen aus dem Brandenburger Kürassierregiment Nr. 6, dem 1. Brandenburger Ulanenregiment Nr. 3, dem Schleswig-Holsteinischen Ulanenregiment Nr. 15, dem Brandenburger Husarenregiment Nr. 3, dem Schleswig-Holsteinischen Husarenregiment Nr. 16, der 2. reitenden Batterie Brandenburg, sowie einer Proviantkolonne und einem Feldlazarett. Insgesamt waren dies ca. 3000 Mann zu Pferde mit sechs Geschützen und Versorgungstross. Ein durchaus sehenswerter Aufzug, der am 3. August die französische Grenze erreichen sollte.
Lassen wir einen (jugendlichen) Zeitzeugen aus einem Dorf an der heutigen B 420 zu Worte kommen:
Noch wusste niemand etwas von einer Kriegserklärung. Da ritt eines Tages ein Reiter am Haus vorüber, nach einiger Zeit kamen zwei weitere und gegen Abend kam gleich ein ganzer Trupp dieser prächtigen, kräftigen Reiter. Diese Reiter waren so still und ernst und gaben auf Fragen keine Antwort, nur einer fragte nach dem nächsten Weg zu diesem und jenem Dorfe.
Bald wurde das Rätsel gelöst.
Am Morgen des nächsten Tages ging es los. Das war nicht nur ein Schwadron, das war ein nicht endend wollender Zug von Reiterei. Diese stolzen Dragoner, sie waren so glänzend und stark und die Rosse so schön – so etwas hatte ich vordem noch nie gesehen-. Es war alles so prächtig, als kämen Mann und Ross gerade erst aus der Kaserne. Sie schienen gar nicht müde und trugen den Kopf hoch als wollten sie dem kleinen bayerischen Dorfe sagen: So reiten die Preußen auch noch nach sechs Stunden Marsch. Keiner wusste den Grund dieses Aufmarsches, bis einer vom Straßenrand in die Reihen der Reiterei hineinrief: Wohin denn? Es kam die Antwort: Nach Frankreich! Nun ging es von Mund zu Mund: Es gibt Krieg mit den Franzosen. Und so war es. Der Krieg war schon erklärt und die zeitungslosen Dörfler wussten es noch nicht. Erst die Preußischen Dragoner brachten diese Nachricht.

Am 25. Juli hatte in Bad Kreuznach die Ausladung des 3. Armeekorps begonnen und dieses Befehl erhalten, zwei Avantgarden in die Gegend südlich Kreuznach und bis Wörrstadt vorzuschieben.
Hintergrund war die Unkenntnis über die französischen Truppenbewegungen. Da man jederzeit mit einem französischen Einfall über die Kaiserstraße und deren Seitenverbindungen rechnete, entschloss man sich den Aufmarschraum der II. Armee weiträumig zu sichern. Der beschauliche Ort Oberndorf erlebte dadurch am 26.07.1870 den Einzug mindestens eines Bataillons preußischer Infanterie, insgesamt 26 Offiziere und 1054 Unteroffiziere und Mannschaften. Die Offiziere waren in den Pfarrhäusern und der Schule einquartiert, die Unteroffiziere und Mannschaften gingen ins Biwack und zwar dort, wo sich heutzutage das Baugebiet „im Heerdell“ (daher der – deutschlandweit einmalige – Name) befindet.

Nur ein besonders hochgespannter Grad von Gefechtsbereitschaft veranlasst zur Anwendung des Biwacks. Die Auswahl des Biwackplatzes ist von taktischen Gesichtspunkten und durch Rücksicht auf Schonung der Truppen geprägt. Taktisch wird verlangt: Lage an guten Wegen zum Zwecke eines schnellen Auf- und Weitermarsches, Lage dicht hinter der Stellung, in der man sich unter Umständen schlagen will oder muss, möglichst Deckung gegen die Sicht des Feindes. Die Schonung der Truppen verlangt genügende und bequeme Wasserversorgung und Nähe der sonstigen Biwackbedürfnisse (Holz, Stroh). Schutz gegen Wind und Wetter, was sich dadurch erreichen lässt, dass man die Truppen an den Rand von Dörfern legt. Ein trockener Untergrund und fester Boden sind günstig, Wiesen ungeeignet. Zur Sicherung des Biwacks nach Außen dienen Außenwachen, Innenwachen dienen zur Aufrechterhaltung der inneren Ordnung.
Insofern war die Talerweiterung südlich Oberndorf als Biwackplatz gut gewählt, bot sie doch genügend Raum für eine größere Anzahl Soldaten und erfüllte auch alle sonstigen Anforderungen. Von den Oberndorfer Bürgern erhielt dieser Biwackplatz die Bezeichnung „Heerdell“, er hat sich bis heut gehalten, auch wenn fast niemand mehr seine Entstehungsgeschichte kennt.

Schon am 29. Juli ging der II. Armee der Befehl zu, mit dem 3. und 4. Armeekorps in der Linie Alsenz – Göllheim – Grünstadt aufzumarschieren, am 30. Juli erhielt das 9. Armeekorps Befehl sogleich bis in Höhe des 3. und 4. Korps aufzuschließen. Das 3. Korps erhielt am 31. Juli wiederum einen Befehl bis Kusel weiterzumarschieren, so dass nach dessen Abzug sich im Raum Oberndorf – Alsenz nur noch Einheiten des 9. Korps aufhielten. Entsprechend wurde der Biwackplatz „im Heerdell“ nun von Einheiten des 9. Armeekorps genutzt.

Den Durchmarsch durch das Nordpfälzer Bergland konnte die II. Armee erst dann wagen, wenn sicher war, dass die französische Armee nicht in der Lage war, den Durchzug durch diese Gegend zu stören, da ein Kampf in unserem hügeligen Gebiet die II. Armee daran gehindert hätte, ihre numerische Überlegenheit auszuspielen und die endgültige Entscheidung hinausgeschoben hätte.
Am 3. August 1870 war es dann soweit, durch die Aufklärungstätigkeit u.a. der 6. Kavalleriedivision stand fest, dass die französischen Truppen mit ihrer Hauptmasse noch nicht zum Angriff übergegangen waren, somit die Pfalz noch nicht unmittelbar bedroht war. In Folge dessen erging der Befehl an die II. Armee über Kaiserslautern und Landstuhl ins Saargebiet vorzustoßen. Angesichts der Masse der II. Armee (181 Bataillone Infanterie, 156 Schwadrone Kavallerie, 105 Batterien Artillerie mit 630 Geschützen) wurde dazu jede in diese Richtung führende Straße für die Truppenbewegung genutzt. Dabei sollte das 9. Armeekorps, vorrückend durch das Alsenztal, Rockenhausen am 4. August erreichen, um über Ottergerg und nördlich des Landstuhler Bruchs über Waldmohr dem Feinde entgegen zu ziehen. Am 3. und 4. August 1870 zog somit das 9. Armeekorps mit 20 Bataillonen Infanterie, drei Jägerbataillonen, 12 Schwadronen Reiterei, 3 Pionierkompanien und 90 Geschützen durch das Alsenztal Richtung Kaiserslautern. Jedenfalls zogen Tag und Nacht zahllose, unabsehbare Truppenmassen aller Gattungen durch Oberndorf. Diesen folgten fast unaufhörlich endlose Artillerie-, Munitions-, Train- , Ponton-Trains und eine große Anzahl Reservepferde.
Vor dem Durchmarsch erschienen Offiziere und befahlen den Dorfbewohnern große Bütten voll Wasser mit einer Beimischung von Essig aufzustellen. In Gläsern, Bechern und Tassen reichte man den durchmarschierenden Truppen dieses Getränk, welche während des Marschierens tranken, das Trinkgefäß dem Nächsten weitergaben oder das leere Gefäß am Wegesrand ablegte. Schulkinder holten diese Gefäße zur Neubefüllung wieder zurück.

Da zunächst die Fuhrparkskolonnen, zum Teil selbst die Proviantkolonnen mangels Waggons von der Bahnbeförderung hatten ausgeschlossen werden müssen, bekamen die Truppen Weisung, nach der Bahnausladung so lange als irgend möglich gegen Barzahlung von den Quartiergebern zu leben. In ihrer Stationierungsgegend sollten sie zudem zu jedem Preis Lebensmittel aufkaufen, um sich hiermit für die bevorstehenden Operationen wenn möglich auf die Dauer von sechs Tagen zu versorgen. Vorspannwagen sollten diese Vorräte den Truppen nachführen, entsprechend erhielten die Armeekorps Befehl, sich durch Anmietung oder Requisition in Besitz eines Fuhrparks von je 400 Fahrzeugen zu bringen. So geschah es, dass, um den notwendigen Tross des Heeres bereitzustellen, mitten in der Nacht das Dorf alarmiert wurde mit dem Auftrag bis zu einer bestimmten Stunde eine vorher festgelegte Zahl von Gespannen bereit zu stellen. Oft führte deren Weg bis tief ins Feindesland. Wie viele Gespanne Oberndorf zu stellen hatte, lässt sich leider nicht mehr ermitteln. Gewiss ist aber, dass es nach Beendigung des Feldzuges Streit um Entschädigung wegen verendeter Pferde und zerstörter Fuhrwerke gab. Überhaupt litt das Dorf unter der Beschlagnahme seiner Gespanne, welche vom Kriegsschauplatz überhaupt nicht bzw. schwer beschädigt zurück kamen. Fehlten sie doch bei der Einbringung der gerade laufenden Ernte. Durch eine in diesem Jahr waltende große Dürre in Verbindung mit der Anwesenheit des Militärs waren auch die Lebensmittelpreise und die Preise für Heu und Hafer auf Grund der Missernte auf das doppelte bis dreifache gestiegen. Auch der Salzpreis stieg auf das Doppelte, trat doch durch Hamsterkäufe eine Salzverknappung ein. Zudem kam es Ende Juli zu einem Geldmangel. Preußisches und bayerisches Papiergeld wurde von der Bevölkerung nicht mehr akzeptiert, preußisches Silbergeld nur zu einem geringeren Kurs. Alles edelmetallhaltige Hartgeld wurde ab sofort gehamstert und stand dementsprechend für den Zahlungsverkehr nicht mehr zur Verfügung.

Bald nach Abzug der Kampfruppen änderte sich die Nutzung der Straßen, jetzt folgten Proviantkolonnen und Schlachtvieh in großer Zahl zur Versorgung der Truppen. Dadurch wurden auch Viehseuchen eingeschleppt. So brach in der Nordpfalz die heutzutage ausgerottete Rinderpest aus, mit entsprechend schwerwiegenden Folgen für die Rinderhaltung in der Gemeinde (90% der erkrankten Tiere gingen ein).

Soweit das von äußeren Akteuren bestimmte Geschehen. Doch wie sah es im Dorfe selbst aus, wie waren die Lebensumstände im Jahre 1870 in Oberndorf?

Denkmal zur Erinnerung an den Feldzug von 1870/71
Standort: Rockenhausen Alleestraße

Da zu dieser Zeit faktisch jede Familie eine (meist kleine) Landwirtschaft betrieb, mindestens jedoch einen größeren Garten bewirtschaftete, ernährten sich die Dorfbewohner in der Regel noch im Wesentlichen von ihren eigenen Erzeugnissen (jeder hatte „sei Sach“). Diese wurden in mühevoller Handarbeit, auf „größeren“ Betrieben unter Mithilfe von Zugtieren, sowie Knecht und Magd und ohne „Kunstdünger“ dem im Wesentlichen kargen Boden abgerungen. Tierhaltung in Verbindung mit Hausschlachtungen war die Regel. Große Reichtümer waren dabei nicht zu erwerben, fast alle der klein- und allenfalls mittelbäuerlichen Betriebe lebten von der Hand in den Mund. Auch der relativ starke Wein- und Obstbau konnte daran nichts ändern: Bauer sein in Oberndorf schmeckte damals nach besonders hartem Brot.
Zwei Familien in Oberndorf versuchten durch Betreiben einer Straußwirtschaft ihr Einkommen aufzubessern. Neben der Landwirtschaft gab es in Oberndorf zu dieser Zeit zwei Mühlen, einen Kaufladen, einen Dorfschmied, einen Schreiner, eine Gastwirtschaft, je ein katholisches und ein protestantisches Pfarramt sowie zwei Schulen. Für die Befriedigung der kulurellen Bedürfnisse sorgte zudem der Gesangverein.
An der Infrastruktur mangelte es. Die (unbefestigten) Straßen befanden sich in einem katastrophalen Zustand, Wasser kam aus dem Orts-, seltener aus eigenem Brunnen und wurde von Hand gefördert. Öffentlichen Personenverkehr gab es (noch) nicht, die Alsenzbahnstrecke befand sich gerade im Bau, Telegrafen waren zwar schon erfunden und in Betrieb, jedoch in Oberndorf nicht, sowenig es damals elektrischen Strom gab. Das Umspannwerk war damals noch nicht errichtet, auch das Baugebiet „im Heerdell“ war damals noch unbebaut. Das Dorf sah entsprechend aus.

Oberndorf kurz nach 1871

Der königliche Bezirksarzt von Rockenhausen, Heinrich Schäffer, hat uns einen diesbezüglichen Bericht hinterlassen:

Die Straßen. Durch den intensiven landwirthschaftlichen Verkehr sind dieselben stets verunreinigt. Mist und Pfuhl sind überall in den Straßen zerstreut und erzeugt besonders letzteres einen intensiven Gestank. Die Straßenrinnen werden nicht sehr oft gereinigt und mit Wasser ausgespült. Stellenweise stagniert der Pfuhl in denselben. Solange ein Regen andauert, übernimmt dieser die Reinigung theilweise, spült aber auch eine Masse Pfuhl mit fort, wenn die Dunggruben überlaufen. Wo keine gepflasterten Rinnen existieren, entstehen stinkende Pfützen.
Die Dunggruben. Obwohl theilweise die Dunggruben mit (handgetriebenen) Pfuhlpumpen versehen wurden, bleiben noch viele übrig, die damit noch nicht ausgestattet sind. Bei der Errichtung der Pfuhlpumpen ist man sich über das Prinzip nicht klar, manche Gruben werden nur mit einem Mäuerchen umgeben, damit der Mist nicht geradezu in den Straßen herumfuhr. Bei anderen werden noch Pfuhllöcher gegraben, ohne daß die Dunggrube ausgemauert wird. Worauf es eigentlich ankommt ist, daß die Dunggrube wie auch Pfuhlloch undurchdringlich für Jauche hergestellt wird. Cementierung ist das einzig Richtige. Jener Mißstand, der von Seite der Jauche droht, Durchdringung des Bodens mit Flüssigkeiten (die Träger sind die günstigsten Verursacher von Krankheitspilzen) ist also durch das bisherige Verfahren bei Herstellung der Dunggrube nur zum geringen Theile erreicht.
Die Brunnen. Die Brunnen sind leider einem beständigen Wegfall der Güte des Wassers ausgesetzt. Der Boden, aus dem das Wasser stammt, ist sehr porös und gestattet leicht das Eindringen von fauligen Stoffen. Bei anhaltendem Regen trüben sich die meisten Brunnen. Das wenigstens muß geschehen, daß von Zeit zu Zeit nachgesehen wird, daß von den Straßenrinnen her kein Abwasser eindringt.
Die Bevölkerung ist darauf aufmerksam zu machen, daß die größte Reinlichkeit auch im Hause beachtet werde, daß für gehörige Lüftung der Räumlichkeiten gesorgt, daß vor allem vermieden werde, Unrath irgendwelcher Art in versteckte Winkel, oder gar auf die Straße oder in den Hof zu werfen.
Bei den Schulen ist für peinliche Reinhaltung der Abtritte Sorge zu tragen. Nöthigenfalls ist Desinficierung der Lokalität vorzunehmen.
So der Amtsarzt aus Rockenhausen.

Nach Abzug des Militärs normalisierten sich die Lebensumstände wieder und das Alltagsleben nahm seinen gewohnten Gang. Jedenfalls begann am 1. November 1870 wieder der Schulunterricht. Insofern hatte der deutsch-französische Krieg von 1870/1871 keine weiteren Auswirkungen auf Oberndorf.

Oberndorf während des II. Weltkrieges

Dieser Beitrag befasst sich mit den Geschehnissen in Oberndorf während des II. Weltkrieges. Leider ist für diesen Abschnitt der Dorfgeschichte keine Chronik wie für die Zeit des ersten Weltkrieges verfasst worden, so dass die Ereignisse mühsam – meist durch die Erzählung von Zeitzeugen – rekonstruiert werden müssen.

Schon gleich nach der Mobilmachung Ende August 1939 wurden Einheiten der 36. Infanteriedivision als rückwärtige Sicherung des „Westwalls“ in die Nordpfalz verlegt. Nach Oberndorf kamen Teile des der 36. Infanteriedivision angehörenden 118. Infanterieregiments, welche bis Ende November 1939 im Ort verblieben. Diese Einheit war nicht motorisiert, d.h. Transporte etc. wurden mit bespannten Fuhrwerken durchgeführt. Entsprechend trugen die damaligen landwirtschaftlichen Betriebe die Hauptlast der Einquartierung, da die Pferde bei ihnen untergebracht waren. Für die Dorfjugend war angesichts des damaligen hohen Stellenwerts alles Militärischen die Anwesenheit der Soldaten von großem Interesse. Der Alltagstrott wurde unterbrochen, es kam zu zwischenmenschlichen Beziehungen, die in einem Fall sogar zu einer Eheschließung führten.

Doch schon bald zeigten sich auch die hässlichen Seiten des Krieges. Neben der Einziehung der wehrpflichtigen Männer kam es zu unmittelbaren Einwirkungen auf das Dorfgebiet durch feindliche Angriffe aus der Luft.

Der erste Bombenangriff auf Ziele in Oberndorf erfolgte 1940 zu Beginn des Frankreichfeldzuges, mutmaßlich durch französische Bomber. Der Angriff erfolgte nachts. Zwar mussten bei Anbruch der Dunkelheit alle Fenster so abgedichtet sein, dass kein Lichtschein nach außen dringen konnte, auch war die Straßenbeleuchtung abgeschaltet. Diese Maßnahmen wurden auch streng kontrolliert. Ursache des Bombenwurfs war wohl dennoch die fehlerhafte Verdunkelung eines am südlichen Ortsrand von Oberndorf stehenden Hauses, dessen vom Lichtschein erleuchtete Fenster dem Bombenschützen als lohnendes Ziel zu dienen schienen. Da die Technik der Zielerfassung in der damaligen Zeit noch nicht sehr weit entwickelt war, gingen die vier abgeworfenen Bomben fehl und explodierten östlich der heutigen Gemeindehalle in freiem Feld ohne weiteren Schaden anzurichten.

Dieser Bombenangriff war jedoch Ursache dafür, dass die Oberndorfer Bürger sich mehr um ihre Sicherheit für den Fall feindlicher Luftangriffe sorgten. In der Folge begann man in der Gemeinde mit dem Bau von (mindestens) drei Luftschutzbunkern, einfachen, östlich des Ortsrandes in den dort anstehenden Sandstein des „Schockenbergs“ gehauenen Gängen, die wohl mehr der Beruhigung dienten, als das sie im Falle eines Falles wirklichen Schutz boten. Wären ihre Nutzer doch im Falle eines Bombentreffers mutmaßlich verschüttet worden. Glücklicherweise mussten diese „Bunker“ nie bestimmungsgemäß genutzt werden.

Nach dem Sieg über Frankreich im Jahr 1940 änderten sich auch die politisch-geografischen Verhältnisse in der damaligen „Saarpfalz“, zu der auch Oberndorf gehörte. Nach Planung von „ganz oben“ sollten die besetzten Teile Lothringens bis zur Sprachgrenze zum neu zu gründenden Gau „Westmark“ der Saarpfalz beigefügt werden. So geschah es auch. Durch Führererlass wurde das ehemals französische Departement „Moselle“ dem Chef der deutschen Zivilverwaltung unterstellt, dem Reichsstatthalter in der Westmark Bürkel.
Durch gewaltsame Ausweisungen und Umsiedlungen von ca. 60 000 Personen angestammter französischer Bevölkerung und Beschlagnahmung deren Grundbesitzes als „reichsfeindliches Vermögen“ wurde für landarme und in beengten Betriebsverhältnissen wirtschaftende Bauern aus der Saarpfalz die Möglichkeit eröffnet, im nicht nur räumlich, sondern auch kulturell und sprachlich verwandten Lothringen zu siedeln.
Diese Möglichkeit nutzte auch der Oberndorfer Kleinbauer Otto D.. Ohne sich von ihren Nachbarn zu verabschieden lud die Familie ihre beweglichen Wirtschaftsgüter auf einen Leiterwagen und verließ Oberndorf in Richtung Lothringen. Das Ziel war der von der Größe mit Oberndorf vergleichbare Ort Lagard, damals eingedeutscht als „Gerden“ bezeichnet.
Wie es dieser Familie in Lagard wirtschaftlich ergangen ist, lässt sich nicht mehr feststellen. Nach Ende des II. Weltkrieges wurden die Neusiedler jedoch von der wieder installierten französischen Verwaltung kurzerhand nach Hause geschickt, wo sie ihren noch existierenden Hof wieder bezogen.

Während also einige Bürger Oberndorf verließen, kam es im Gegenzug zu unfreiwilliger Zuwanderung, denn etwa ab dem Jahr 1942 mußten ausgebombte Bewohner west- und südwestdeutscher Großstädte -insbesondere Ludwigshafener – in Oberndorf aufgenommen und untergebracht werden. Eine annähernd genaue Angabe über die Zahl der unfreiwilligen Neubürger ist nicht mehr möglich, es dürfte sich aber um mehrere Familien gehandelt haben.

Das gravierenste Ereignis des Kriegsjahres 1944 war der Absturz eines amerikanischen Bombers vom Typ B 17G-20-BO auf die Gemarkung Oberndorf.
Am Morgen des 29.01.1944 starteten 800 amerikanische Bomber u.a. vom Flughafen Deenethorpe, Northhamptonshire in England, zum Angriff auf Frankfurt am Main. Zur Angriffsformation gehörte auch die 401th Bombardment Group, 612th Bomb Squadron. Teil dieser Einheit war auch die B-17 Flying Fortress (fliegende Festung) mit der Kennung #42-31486. Dieser 4-motorige Bomber war mit zehn Mann Besatzung versehen, mit 13 schweren Maschinengewehren Kal. 50 bewaffnet und trug in der Regel 2724 kg Bombenlast.

amerikanischer Bomber Boeing B-17

Die Besatzung des Bombers bestand aus dem Piloten John Tannahill Jr., dem Co-Piloten Harry Selb, dem Navigator Edward Harris, dem Bombenschützen WilliamFreye, dem Bordingenieur Patrick Powers, dem Funker Harold Roak, dem MG-Schützen Harley Kennemer, dem MG-Schützen Weldon Martin, dem MG-Schützen Thomas Brennan und dem MG-Schützen Lawrence Freeman. Schon beim Angriff auf Frankfurt wurde die Maschine durch Flak-Splitter beschädigt, was dazu führte, dass die „Reisegeschwindigkeit“ nicht mehr erreicht werden konnte. Dies hatte zur Folge, dass der Bomber den Anschluss zum Bomberpulk verlor und gewissermaßen als Einzelgänger flog. Über Oberndorf wurde er leichte Beute eines deutschen Jägers Messerschmidt Me 109 G.

Messerschmidt Me 109 G

Mutmaßlich gehörte der Jäger zum Jagdgeschwader 106, welches in Lachen-Speyerdorf bei Neustadt an der Weinstraße stationiert war.

Nach Treffern in den Treibstofftanks explodierte die B-17 über der Gemarkung Oberndorf in ca. 5000m Höhe. Von der Besatzung überlebten nur der Bombenschütze William Freye und der MG-Schütze Thomas Brennan, alle anderen starben. Die Trümmer verteilten sich über das Gemeindegebiet. Die Kanzel fiel in die Scheune neben dem Anwesen Hauptstraße 8. Die Einschlagstelle ist noch heute (2021) an der erneuerten Dacheindeckung unschwer zu erkennen.

An der linken unteren Dachecke zeigen die hellen Dachziegel die Stelle, an der die Kanzel des Bombers einschlug.

Der Rumpf schlug nordöstlich des heutigen Neubaugebietes „Heerdell“ auf freiem Feld auf, Teile mit Treibstofftanks, welche noch eine zeitlang brannten, gingen zwischen Alsenzbach und dem Anwesen Hauptstraße 3 auf einer Wiese nieder, während die Tragflächen mit den Motoren westlich des Bahnübergangs, etwa ab der Trasse der Umgehungsstraße bis hin in die „Mährenbach“ aufschlugen. Die Flugzeugtrümmer wurden von einer Wehrmachtseinheit abtransportiert. Der Pilot des deutschen Jagdflugzeugs besuchte den Ort seines Luftsieges kurz nach dem erfolgten Abschuss.

Die acht toten Besatzungsmitglieder des US-Bombers wurden auf dem Oberndorfer Friedhof beigesetzt und der katholische Pfarrer hat nach der Mittagsandacht das (gemeinsame) Grab gesegnet. Im November 1945 sind die Gefallenen umgebettet worden und ruhen nun auf dem amerikanischen Soldatenfriedhof in Saint Avold (Frankreich).

Gegen Ende des Krieges nahmen mit dem Vorrücken der alliierten Truppen auch die Jagdbomberangriffe in unserer Gegend zu. Es wurde häufig die Bahnlinie angegriffen. Die Bomben verfehlten jedoch ihr Ziel und landeten im Wingertsgelände „Gänseberg“, ohne größere Schäden anzurichten. Nicht so glimpflich verlief jedoch ein Angriff durch einen Tiefflieger auf den Landwirt Albert B., welcher auf der Straße zum Schmalfeld durch Bordwaffenbeschuss verletzt wurde.

Anfang März 1945 kam es nochmals zu einem Jagdbomberangriff auf einen Güterzug auf freier Bahnstrecke zwischen Oberndorf und Mannweiler. Die Waggons erhielten Treffer, worauf der Lokführer den Zug zum Stehen brachte, die beschädigten Waggons abkuppelte und ohne diese nur mit seiner Lokomotive weiterfuhr. Die meisten Waggons waren leer, einer war mit Schuhen und Strümpfen beladen, ein anderer mit Speiseöl. Schon nach kurzer Zeit hatte sich in der Bevölkerung herumgesprochen, welche „Schätze“ sich in den Waggons befanden. In der Folge versorgten sich manche Oberndorfer und Mannweilerer Bürger mit den lange vermissten Gütern aus den abgestellten Waggons.

Fast wäre Oberndorf noch in letzter Stunde zum Kriegsschauplatz geworden. Nach dem Willen der NSDAP-Gauleitung sollten die pfälzischen Gemeinden unter allen Umständen verteidigt werden. Entsprechend wurden vom „Volkssturm“ sowohl am Ortsausgang Richtung Alsenz in Höhe des heutigen Landmaschinenfachbetriebs Wilhelm, als auch am Ortsausgang Richtung Mannweiler in Höhe der heutigen Gemeindehalle Vorbereitungen zum Bau von Panzersperren getroffen. Diese Sperren wurden jedoch nicht mehr geschlossen, da zum einen keine Kampftruppen zu ihrer Verteidigung zur Verfügung standen, zum anderen die (berechtigte) Sorge herrschte, die Amerikaner würden diese Sperren und alles andere in deren Umgebung mit ihren Bomben in Trümmer legen.

Am 19.03.1945 war es dann soweit, Einheiten der 11. US-Panzerdivision und der 94. US-Infanteriedivision, aus Feilbingert und Hallgarten über Alsenz angerückt, besetzten Oberndorf, ohne auf Widerstand zu stoßen. Es kam zu Einquartierungen. Sowohl das katholische als auch das protestantische Pfarrhaus sowie (wenige) Privathäuser wurden beschlagnahmt und als Truppenunterkünfte verwendet. Zeitgleich versteckten sich einige versprengte deutsche Soldaten im „Bunker“ im Weibelsgraben, mussten sich jedoch schon nach wenigen Tagen auf Grund fehlender Versorgung in Gefangenschaft begeben.

Im Juni 1945 lösten die Franzosen die Amerikaner als Besatzungsmacht ab, es begann ein wesentlich härteres Besatzungsregime, welches bis 1952 andauerte.

Insgesamt 25 Oberndorfer Soldaten fielen im Verlauf des Krieges. Es waren dies:
Finkenauer W.
Werner K.
Klöck K.
Michels K.
Schuster E.
Schmitt W.
Ament A.
Wolfänger H.
Schneider J.
Andres K.
Enders R.
Wolfänger F.
Wolf O.
Prezius H.
Betz K.
Walter R.
Wolf K.
Hühner A.
Ein sehr hoher Blutzoll für ein Dorf mit weniger als 300 Einwohnern


Oberndorfer Persönlichkeiten II

Professor Dr. phil. habil. Karl Barwick

Prof. Dr. phil. habil. Karl Barwick

Karl Barwick wurde am 14. Mai 1883 als 2. Sohn des Landwirts Barwick in Oberndorf geboren. Der damalige Pfarrer Kreiselmaier wurde auf den hochbegabten Jungen aufmerksam und veranlasste dessen Vater, ihn auf das Gymnasium in Neustadt an der Weinstraße zu schicken.
Nach erfolgreichem Abschluss seiner Gymnasialausbildung schrieb sich Karl Barwick zunächst zum Studium der Rechtswissenschaften an der damals im Deutschen Reich gelegenen Universität Straßburg ein. Dieses Fach lag ihm jedoch nicht, so dass er schon nach einem Jahr nach München übersiedelte und dort klassische Philologie, Archäologie und Geschichte studierte. Nach zweijährigem Studium in München wechselte er nach Jena und setzte dort seine Ausbildung fort.
1908 pomovierte Karl Barwick und legte 1909 die Staatsprüfung für das Lehramt an höheren Schulen ab. Im Anschluss daran wechselte er in den Schuldienst an das Gymnasium Hildburghausen in Thüringen. 1912 habilitierte er sich in Jena. Nach Teilnahme am ersten Weltkrieg kehrte er wieder nach Jena zurück und hielt dieser Stadt bis zu seinem Tod die Treue.
Von der Universität Jena wurde er 1919 zum außerordentlichen Professor berufen, 1925 zum ordentlichen Professor auf dem Lehrstuhl für Latinistik.

Als Hochschullehrer hat Barwick zahlreichen Generationen von Lateinlehrern eine grundsolide Ausbildung zukommen lassen.
Die wissenschaftlichen Arbeiten Barwicks zeichnen sich durch eine souveräne Beherrschung der Materie aus, wie der interessierte Leser leicht durch das Studium seiner Publikationen wie z.B. „Das rednerische Bildungsideal Ciceros“ oder auch „Caesars Bellum Civile“ feststellen kann. Barwicks Werke sind zum Teil immer noch im antiquarischen Buchhandel erhältlich.

Trotz seiner Emeritierung 1954 hat er noch zwei weitere Jahre seine Lehrtätigkeit in vollem Umfange weitergeführt. Im Jahr 1951 wurde er ordentliches Mitglied der Sächsischen Akademie der Wissenschaften zu Leipzig.
Seinem Geburtsort Oberndorf blieb Barwick zeitlebens verbunden. So behielt er sich trotz Verkauf seines elterlichen Betriebs ein Wohnrecht in seinem Elternhaus vor und nutzte dies regelmäßig zu Aufenthalten in der Nordpfalz.
Karl Barwick verstarb am 23.03.1965 in Jena, wo auch seine letzte Ruhestätte gelegen ist.

ehemaliges Weinbergshäusschen der Familie Barwick in der Oberndorfer Gemarkung

letztes existierendes Zeugnis über die einst in Oberndorf ansässigen Familie Barwick

SIC TRANSIT GLORIA MUNDI

Oberndorf zur Zeit der französischen Besatzung 1792 bis zum Ende der Aera Napoleons

Die Besetzung der Pfalz 1792 durch die Franzosen war eine Folge der französischen Revolution von 1789.
Ursache dieser war die Mißwirtschaft der französischen Regierung, die zu einer völligen Verarmung der unteren Schichten führte, sowie der gleichzeitige Reichtum gepaart mit Leichtsinn und Leichtfertigkeit des Adels und des Klerus.

Wie aber sah die Sache in der Pfalz aus?
Auch in der Nordpfalz hatte sich ein großes Maß an Unzufriedenheit angesammelt. Bedingt durch die herrschende Kleinstaaterei – Alsenz gehörte zu Nassau-Weilburg, Oberndorf war kurpfälzisch, Kalkofen gehörte zu Habsburg, Gaugrehweiler den Wild- und Rauhgrafen, Obermoschel zu Pfalz-Zweibrücken – verbunden mit dem absolutistischen Steuer- und Fronsystem, konnte sich die Wirtschaft nicht entwickeln. Jede Gemarkungsgrenze war faktisch  Staatsgrenze, jenseits derer andere Gesetze, Maße und Gewichte, Währungen etc. galten. Die Folge davon war Mangel und Armut für die breite Masse des Volkes. Im Gegensatz dazu befand sich ausschließlich der Adel im Besitz der Ämter, welche Geld, Macht und Ansehen garantierten. Damit finanzierte man – wie in Frankreich – Luxus aller Art. Die fortgesetzte Verschwendung führte auch in den kleinen Herrschaften zu einer Bedrückung der Untertanen, die unerträglich wurde.
Als Beispiel sei Rheingraf Karl Magnus mit seiner Residenz in Gaugrehweiler genannt. Aus seinem „Land“ zog er eine Einnahme von 60.000 Gulden jährlich. Dabei baute er ein Schloss für 200.000 Gulden und einen Marstall für 100 Pferde. Dazu gehörten eine prachtvolle Orangerie, Hofmusiker, Husaren, Heiducken und „Mohren“. Glänzende Gesellschaften belebten im Sommer die Lustgärten, und der Winter war ausgefüllt mit kostspieligen Festen. Er forderte von seinen Untertanen die nötigen Gelder, zum Teil auch durch betrügerische Machenschaften. Allen Mahnungen und Warnungen der höheren Beamten zum Trotz ging die Verschwendung weiter bis zum Zusammenbruch. Auf Beschwerde von Untertanen und Gläubigern setzte das Reichskammergericht den Graf ab, worauf der Kaiser die Strafe in 10 Jahre „peinlicher Haft“ auf einer Festung umwandelte. Die Verwaltung des Landes wurde einer Regierungskommission aus Kirchheimbolanden übertragen, welche aber genauso weiter wirtschaftete, so dass die Untertanen sich sogar ihren Landesherrn wieder zurückwünschten.
Auch der Herzog von Zweibrücken trieb es ähnlich. Er war für seine Verschwendungssucht bekannt, insbesondere seine Jagd- und Hundeliebhaberei. Dies wurde zu einer Plage für seine Untertanen, da er neben den gewöhnlichen Jagdvergnügen auch jährlich mehrere Wochen dauernde Treibjagden veranstaltete, welche „als Feste verwerflicher Sittenlosigkeit mit Ausschweifungen anfingen und endigten“. Zudem ließ er bei Homburg ein Schloss für 14 Millionen Gulden errichten. Die Besteuerung war eine höchst ungerechte, insbesondere war dafür ein Heer von Beamten nötig, und die Verworrenheit des Rechnungswesens begünstigte Bestechung, Betrug und Unterschlagung. Die Erhebung der Steuern selbst verschlang mehr als ein Viertel der Einnahmen.
Diese Zustände in der Nordpfalz führten dazu, dass die Ideen der französischen Revolution (Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit) zuerst auch hierzulande großen Anklang fanden.

Unabhängig davon führten jedoch Preußen und Österreich 1792 gegen die französische Republik Krieg. Mit 80 000 Mann zog man von Koblenz aus gen Frankreich, brach aber nach der vergeblichen Beschießung von Valmy den Kampf ab und trat den Rückzug an. Im Gegenzug drangen die französischen Revolutionstruppen unter Custine vom Elsass her über Landau in die Pfalz ein und eroberten in rascher Folge Speyer, Worms und am 21.10.1792 Mainz. Französiche Emigranten (meist Adlige), heimischer Adel und die hohe Geistlichkeit brachten sich und ihre Schätze jenseits des Rheins in Sicherheit. Aus Oberndorf floh z.B. der katholische Geistliche Pfarrer Jacobi über den Rhein und nahm dabei die Hypotheken der  in Oberndorf gelegenen Reigersberger Güter mit. Im Juli 1795 kehrte er zwar wieder zurück, mußte aber jedes Jahr wenigstens 3 Monate über den Rhein „betteln“ gehen, um die übrigen 9 Monate leben zu können.
Die Franzosen jedenfalls übernahmen die Macht in den linksrheinischen Gebieten und errichteten am 19.11.1792 eine Zentralverwaltung für die eroberten linksrheinischen Gebiete. Deren hauptsächlicher Zweck war die Erzielung von Einkünften zur Versorgung der Truppen.
Schon am 27. November wurde dem Amt Alsenz die erste Brandschatzung (Zwangserhebung von Geld im feindlichen Land unter Androhung des Niederbrennens) auferlegt.

Zwar sollten schon im Februar und März 1793  Wahlen stattfinden und die Einwohner  auf die französische Nation vereidigt werden. Dieses Ansinnen der Franzosen stieß jedoch auf wenig Gegenliebe. Die Bürger von Alsenz unter der Führung ihres standhaften Bürgermeisters Friedrich Linn  z.B. erklärten, dass sie unter der bisherigen Verfassung sich wohl befunden hätten und eine Neuerung nicht wünschten, während die Bewohner von Obermoschel drohten, sie würden jedem Arme und Beine zerbrechen, der es wagen sollte, die Franzosen zu unterstützen. Anders entschieden sich aus unserem Raum z.B. Finkenbach, Kalkofen, Schönborn und Rudolfskirchen. In Oberndorf als  – noch – kurpfälzischem Ort sollten keine Wahlen stattfinden, da die französische Verwaltung die (rechtsrheinisch sitzende) Regierung der Kurpfalz positiv für die Sache der Franzosen stimmen wollte. Auf Grund von Gerüchten über den Anmarsch von preussischen und hessischen Truppen aus dem Hunsrück wurde unser Gebiet von den Franzosen Ende März 1793 jedoch wieder geräumt. Da am 22.07. 1793 Mainz den Franzosen wieder verloren ging, zogen sich die bisher dort stationierten Truppen in Richtung Frankreich zurück und kamen dabei auch wieder in die Nordpfalz. Am 25. Juli erschienen jedenfalls 4000 Mann französische Truppen in Alsenz/Oberndorf und beanspruchten Quartier und Verpflegung, selbstverständlich ohne dafür zu bezahlen. Es begann eine kurze Zeit der Ruhe, doch schon im Dezember 1793 drangen die französischen Truppen erneut bis zum Rhein vor. Zugleich mit den vordringenden Truppen erschien diesmal eine „Kommission für Ausleerung“, die dafür zuständig war, möglichst viel zu requirieren und fortzuschaffen. Der sogenannte „Plünderwinter“ begann. Diese Plünderungen erfolgten unter dem Motto „Alles ist unser! Ihr sollt nichts behalten, als die Augen zum Weinen“! Hintergrund war der Notstand der französischen Staatskasse auf Grund der ständigen Kriegsführung. Wer in den „Genuß“ des neuen Systems kam, sollte auch an dessen Kosten tragen, dies galt  insbesondere für die Pfalz, die man in Frankreich als feindliches Ausland ansah. Am 6. Januar 1794 ging der Raubzug der „Ausleerungskommission“ durchs Alsenztal von Dielkirchen bis Hochstätten los. Erst plünderten die Franzosen die Scheunen, die Speicher, die Früchte und Vorräte, dann drangen sie in die Ställe, schleppten das Vieh auf die Straße und schlachteten es vor den Augen der Eigentümer. Gerätschaften luden sie auf mitgebrachte Wagen. Was zum Fortschaffen zu zerbrechlich war, wurde zerschlagen. Die Esswaren, welche sie nicht wegbringen konnten, wurden mutwillig vernichtet. Wein, den sie nicht tranken, ließen sie auslaufen und zerschmetterten die Fässer. Bares Geld wurde mit gezücktem Messer oder Pistole gefordert. Auch die Kirchen wurden nicht verschont. Die goldenen und silbernen Gefäße, die Glocken, die Uhren, die Orgeln, selbst das Blei aus den Fenstern nahm man mit und transportierte die Beute nach Frankreich. Allein in Bitsch sollen ca. 500 geraubte Glocken gelagert worden sein. Oberndorf selbst hatte insofern noch Glück, denn die Glocken aus der Zeit des 30jährigen Krieges blieben in der hiesigen Kirche hängen.

Da die Nordpfalz leergeplündert war, verlor man das Interesse an ihr. Erst am 6. Juni 1794 kam wieder Truppenbesuch. Ein General Marceau zog mit 8000 Mann in Alsenz, Oberndorf und Kalkofen ein. Noch am gleichen Tag wurde Alsenz eine Brandschatzung in Höhe von 24 000 Mark, 200 Paaren Schuhe, 200 Hemden und 100 Hosen auferlegt, zu liefern innerhalb 24 Stunden. Zudem wurden zur Versorgung der Truppe 100 Ohm Wein und 1600 Pfund Brot verlangt. Zur Erzwingung der Lieferung wurde unter anderen der Alsenzer Gerichtsbürgermeister Friedrich Linn in Geiselhaft genommen. Am 9. Juni zog diese Truppe wieder ab. Die betroffenen Dörfer mußten für die drei Tage schwer bluten, an Gesamtkosten wurden mehr als 22 500 Mark ermittelt, eine unerhörte Summe, wenn man bedenkt das z.B. ein Ochse zu dieser Zeit ca. 55 Mark kostete.

Im Dezember 1794 wurde die Nordpfalz nochmals Schauplatz eines Treffens französischer mit österreichischen Truppen.
Anfang Dezember rückten aus dem Hunsrück über Kirn, Meisenheim und Obermoschel ca. 3000 Mann Franzosen nach Alsenz. Die hier bislang stehenden Österreicher sahen sich genötigt auf Kriegsfeld zurückzugehen. Da aber die Alsenz zu dieser Zeit starkes Hochwasser führte, wagten die Franzosen nicht überzusetzen. Bei dem Rückzug der Österreicher wurden von diesen aus Oberndorfer Ställen 2 Pferde und 3 Ochsen mitgenommen. Am 3. Dezember eilten die Österreicher jedoch von Kriegsfeld aus kommend wieder herbei, besetzten wieder Alsenz und warfen die Franzosen bis zur Moschellandsburg zurück. In der Nacht vom 3. auf den 4. Dezember brachten die Franzosen 3 zwölfpfünder Kanonen und eine 17 cm Haubitze auf den Niedermoscheler Berg und fingen an Alsenz zu beschießen.

Die Österreicher mußten den linken Teil von Alsenz verlassen, rissen dabei die Brücke ein, um den Übergang der Franzosen über die Hochwasser führende Alsenz zu verhindern. Auch von österreichischer Seite wurden nun einige Kanonen in Stellung gebracht, worauf nachmittags von 2 Uhr ab von beiden Seiten eine Kanonade auf Alsenz niederging, welche bis Abends 7 Uhr dauerte.

Gedenktafel an einem an der K 25 gelegenen Hauses in Alsenz

Während und nach der Kanonade unternahmen beide durch den Bach getrennte Einheiten mehrere Stürme gegeneinander, die aber ohne Ergebnis blieben, so dass bis zum 8. Dezember die kaiserlich-österreichischen Truppen sich auf dem rechten Ufer der Alsenz, die Franzosen sich auf dem linken Ufer behaupteten. Am 8. Dezember drangen die kaiserlich-österreichischen Truppen über Oberndorf, Mannweiler und die Randeck vor und versuchten die Franzosen zu umzingeln. Diese verließen daraufhin Alsenz sehr rasch, gerieten aber samt ihren Kanonen, Haubitzen und Munitionswagen zum größten Teil diesseits und jenseits Obermoschel in Gefangenschaft.

Für die Bewohner von Alsenz hatten diese Kämpfe schwerwiegende Auswirkungen. Fast alle verließen ihre Wohnungen und brachten sich in Waldungen oder benachbarten Ortschaften in vermeintliche Sicherheit. Niemand wagte sich auf die Straße, 17 Personen der Bürgerschaft wurden durch Schüsse oder Hiebe verwundet, der reformierte Pfarrer wurde an den Haaren im Kot herumgeschleppt. Besonders schändlich verfuhren die Franzosen mit dem weiblichen Geschlecht. Mehrere wurden auf offener Straße mißbraucht. Gelderpressungen und Plünderungen waren Reiche wie Arme ausgesetzt, und was die Soldaten nicht fortschleppten wurde mutwillig zerstört. Eine beträchtliche Anzahl an Nutzvieh wurde geschlachtet und verzehrt, Wein, Bier und Schnaps ausgetrunken, und was beim Abzug noch übrig war, wurde auslaufen gelassen. 17 Gebäude brannten durch die Kanonade nieder.
Ob vorübergehend die Deutschen oder die Franzosen siegreich waren, spielte für die einheimische Bevölkerung jedoch keine Rolle, diese hatte unter allen Umständen die Kosten und Belastungen der Besatzung durch die jeweiligen Heere zu tragen.

Schließlich war das Haus Habsburg als offizieller Herrscher des Deutschen Reiches gezwungen mit der französischen Republik Frieden zu schließen. Am 17. Oktober 1797 wurde mit dem Friedensschluß von Campo Formio das linke Rheinufer an Frankreich abgetreten

Von da an bis 1814 gehörte Oberndorf zusammen mit den deutschen Gebieten links des Rheins zu Frankreich. Die Oberndorfer, deren Leben als Kurpfälzer gerade noch in den seit Jahrhunderten gewohnten Strukturen verlief, wurden zu Franzosen. Ihr Kaiser hieß jetzt Napoleon, nicht der Pfälzer Kurfürst war ihr Landesherr, sondern ein französischer Präfekt. Man erwartete von ihnen, dass sie französisch sprechen, sich auf eine neue Zeitrechnung umzustellen, in einer anderen Währung zu zahlen, mit neuen Maßen und Gewichten umzugehen und das französische Rechtssystem einschließlich der Wehrpflicht anzunehmen. Adel und Kirchen wurden enteignet, die enteigneten Grundstücke versteigert oder verkauft.

Als erstes wurde die Verwaltung neu organisiert. Oberndorf gehörte zum Departement „Mont Tonnerre“, Unterpräfektur Kaiserslautern, Kanton Obermoschel. In der Gemeinde (Alsenz, Oberndorf, Mannweiler und Cölln  bildeten zusammen eine „municipalite“ oder Samtgemeinde ) hatte nun der Maire die Leitung der Verwaltung inne. Da das Land nunmehr französische Provinz war, wurde es mit weit größerer Schonung behandelt als vorher, Feudalrechte, Jagdrechte, Zehnt und Fronden wurden aufgehoben, Zollschranken fielen. Großen Nachteil brachte allerdings die Einführung der französischen Sprache als Amtssprache und des Kalenders neuer Zeitrechnung (man zählte die Jahre ab 22. September 1792, dem Tag der Abschaffung des Königtums, statt der  7tägigen Woche galt nun eine 10tägige Dekade). Insgesamt ging es jedoch wirtschaftlich bergauf. Dies hatte auch Folgen auf die Bevölkerungszahl, der Ort Oberndorf wuchs von 227 Einwohnern im Jahre 1801 auf 290 im Jahre 1814.

Im Hinblick auf Enteignungen war auch Oberndorf betroffen.
Im Jahre 1742 vermachte Leopold Joseph Wilhelm Freiherr von Reigersberg  zur „Erhaltung eines Kaplans“ zu Oberndorf 3000 Gulden und zur „Erhaltung eines ewigen Lichts“ in der hießigen Kirche weitere 300 Gulden an die katholische Kirchengemeinde.
Ein Vetter des Freiherrn, Johann Baptist Freiherr von Reigersberg hat dieses Geld als Kredit aufgenommen und für diese Gelder sein freiadliges Gut zu Oberndorf verhypotekisiert. Der Zins darauf wurde durch Pachtzahlungen der Felsenmühle, Äcker und Wiesen in Höhe von 150 Gulden jährlich garantiert. Die gesamten Güter, die Felsenmühle, 25 Morgen 35 Ruthen Acker, Wiesen und Weinberge, wurden von den Franzosen eingezogen und kamen durch Verkauf in die Hand des Friedensrichters Schmitt zu Obermoschel. Dieser ließ die Güter stückweise versteigern und setzte zugleich auf jedes Teilstück proportional eine Grundsteuer, die insgesamt die 150 Gulden erreichte, die vorher als Pachtzahlung an die katholische Kirchengemeinde gingen. Auch diese Grundsteuer wurde vom französischen Staat eingezogen.
Bekannt wurde dieser Vorgang als Versteigerung des wolftarischen Gutes, benannt nach Wolf von Turn, der im 16. Jahrhundert hier Besitz hatte. Ersteigert wurde das Gut von verschiedenen Einwohnern von Oberndorf und Mannweiler zu einem Gesamtpreis von 7470,81 Franken. Zu welchem Preis Friedensrichter Schmitt das Gut erwarb ist nicht bekannt.

Auch  das Simultaneum, also das zwei verschiedenen Konfessionen zugesprochene Recht, sich der gleichen Kirche für ihren Gottesdienst zu bedienen, gab Anlass zu Zwistigkeiten. Die französischen Behörden hielten jedoch an dem Grundsatz, dass der Zustand, wie er vor der Eroberung bestanden hat, aufrecht zu erhalten sei, fest. Dies zeigte sich auch in Oberndorf. Hier versuchten die Protestanten den Katholiken die Mitbenutzung der neu aufgestellten Orgel zu verweigern, worauf diese sich nach Mainz an den Präfekten des Departements Donnersberg – Jeanbon – wendeten. Dieser warf den Oberndorfer Protestanten „Unduldsamkeit“ vor und regelte die Angelegenheit im Sinne der Katholiken (offensichtlich wurde auch damals schon „im Kessel gereehrt“).

Nach der mit Dekret vom 30.6.1802 erfolgten völligen rechtlichen Gleichschaltung des Departements Donnersberg mit den übrigen französischen Departements mußte auch die Nordpfalz Soldaten für die französische Armee stellen.
Jeder männliche Franzose – die Pfälzer waren nun Franzosen -, der das 20. Lebensjahr vollendet hatte, war militärpflichtig. Ausgehoben wurden von 1802 bis 1814 im Departement Donnersberg ca. 18 000 Mann, darunter auch einige Oberndorfer.
Bekannt ist, das der am 16.01.1782 in Alsenz geborene und am 11.04.1852 in Oberndorf verstorbene Peter Linn (Peter Linn heiratete eine Maria Barbara Münch aus Oberndorf, was ihn wohl veranlasste, nach Oberndorf zu ziehen) in der französischen Armee diente.
Peter Linn war Angehöriger des 4. Batallion Sappeur welches an den Schlachten bei Lützen, Bautzen, Dresden, Leipzig und Hanau teilnahm. Ob diese Einheit auch an Napoleons Feldzug gegen Russland teilnahm, ist nicht gesichert, jedoch wahrscheinlich. Jedenfalls nahm das 1. Batallion Sappeur am Russlandfeldzug teil und tat sich beim Rückzug über die Beresina beim Bau einer Behelfsbrücke über die eisführende Beresina hervor. Mutmaßlich war auch das 4. Batallion als Schwestereinheit bei diesem Einsatz beteiligt.

Als Überlebender des Feldzuges engagierte sich Peter Linn im Kaiserslauterer Veteranenverein, welcher 1836 ein Denkmal errichtete. Dieses trägt die Inschrift
„Die unter Napoleons Fahnen gedienten und wieder in ihre Heimat zurückgekehrten Kaiserslauterer weihen ihren auf dem Feld der Ehre gefallenen Kriegskameraden dieses Denkmal“.

Die unter Napoleons Fahnen gedienten und wieder in ihre Heimat zurückgekehrten Kaiserslauterer weihen ihren auf dem Feld der Ehre gefallenen Kriegskameraden dieses Denkmal 1836

Während auf der Süd-, West- und Nordseite des Obelisken die Gefallenen aufgeführt sind, verzeichnet die Ostseite die für die Errichtung verantwortlichen Veteranen, darunter Peter Linn.

Von unten gezählt als siebter: Linn Peter Sappeur Ouvrier im 4. Batallion

Soviel zur Oberndorfer Geschichte zur Zeit Napoleons.

Hoch droben auf dem Galgenberg

Vom Strafvollzug vergangener Zeiten

Westlich von Oberndorf befindet sich der Galgenberg. Sein Name rührt von einem ehemals dort installierten Galgen her. Dieser stand jedoch nicht auf Oberndorfer Gemarkung, sondern westlich des Galgenberger Weges, welcher die Gemarkungsgrenze Alsenz/Oberndorf bildet.

Dieser Galgenberger Weg war in früheren Zeiten eine Heerstraße und verhältnismäßig verkehrsreich, führte doch der Weg nach Kaiserslautern nicht wie heute durch das Alsenztal, sondern auf Grund der Unwegbarkeit der Talaue wegen Hochwässern, Versumpfungen etc. über die Bergrücken. Jedenfalls ist auf der Französischen Karte von 1807 der Galgenberger Weg noch als „Grand Chemin de la Kaiserslautern a‘ Alsenz“ bezeichnet.

Da ein Galgen unter anderem auch eine abschreckende Wirkung erzielen sollte, in dem der/die Hingerichtete dem Vorbeikommenden vor Augen geführt wurde, war der Standort in der zwar einsamen und öden Berghöhe, jedoch an der zugleich verkehrsreichen Straße gut gewählt.

Mit etwas Ortskenntnis findet man noch ausgemauerte Fundamente für die Ständer des Galgens. Allerdings ist nicht ganz klar, welche Art Galgen (Hochgericht) hier errichtet war. Nach einer Beschreibung bestand der Galgen aus zwei Eichenpfosten von 4,50 m Länge, welche ca. 4 m auseinander standen. Dann hätte der Galgen etwa dieses Aussehen gehabt.

Nach einer anderen Beschreibung soll das Halsgericht aus einer Rahmenform von ca. 4 m im Quadrat bestanden haben, wie ihn das gezeigte Abbild darstellt.

Bei einer im Jahr 1909 vorgenommenen Untersuchung der Richtstätte, verbunden mit oberflächlichen Ausgrabungen, wurden neben gut erhaltenen Arm- und Beinknochen auch eine Kinnlade mit Zähnen gefunden. An der Existenz dieser Richtstätte kann also ernstlich nicht gezweifelt werden.

Das Recht über Hals und Bein stand dabei nicht der Gemeinde Alsenz zu, sondern den Territorialherren in Zweibrücken bzw. den Rheingrafen in Grumbach. Das Gericht tagte jedoch in Alsenz, wahrscheinlich in oder am Rathaus. In welchem Jahr die letzte Vollstreckung der Todesstrafe stattfand , ist nicht bekannt. Dokumentiert ist jedoch die Verurteilung eines Dienstknechts namens Joachim Maurer aus Bretzenheim im Jahre 1600. Dieser wurde wegen des Diebstahls von 10 Gulden zum Tode durch den Strang verurteilt.

Das Urteil wurde im Anschluss an den Schuldspruch vollstreckt. Man geleitete den Verurteilten unter Läuten der Armsünderglocke im Beisein des Gerichts und der Bevölkerung zur Richtstätte und vollzog dort den Urteilsspruch. Dieses makabre Schauspiel hatte auf Grund der großen Anzahl Schaulustiger und des ansonsten auch wenig abwechslungsreichen Daseins der Bevölkerung mutmaßlich den Charakter eines Volksfestes.

Abgeschafft wurde der Galgen unter der Herrschaft der Franzosen. Auf Grund des Artikel 18 des Gesetzes vom 20. April 1791 mussten die Gemeinden „auf der Stelle alle Galgen und Hochgerichte, die von der ehemaligen Herrschaft noch vorfindlich seyn können“ (etwa um das Jahr 1800) abreißen lassen, widrigenfalls die Munizipalverwaltung dies auf Kosten der Gemeinde erledigen würde.


Am stärksten ausgelastet war der Galgen wohl in der Zeit der Hexenprozesse. Deren Höhepunkt fiel etwa in die Zeit zwischen den Jahren 1550 und 1650. Der damalige Zeitgeist machte „Hexen“ für Hagel, Donner, Dürre, Eis, Krankheit, Viehseuchen, Brände etc. verantwortlich. Diese Hexen sollten auf Gabeln, Stecken und Besen durch die Luft fahren und sich mit dem Teufel paaren. (Noch heute wird in der Nacht vom 30. April auf den 1. Mai, in der sogenannten Hexennacht, an das vermeintliche Treiben der Hexen erinnert). Entsprechend waren die für Hexerei vorgesehenen Strafen. Wer der Hexerei verdächtig wurde, ist von den Häschern gefaßt und der „peinlichen Befragung“ unterzogen worden. Vermittels „spanischem Reiter“, mit welchem die Unterschenkel zerquetscht wurden, Daumenschrauben und glühenden Eisen und Zangen wurden Geständnisse erpresst und dabei meist zugleich noch weitere Personen denunziert.

Das Ergebnis lautete in der Regel auf Todesstrafe durch den Strang, wobei die Hinrichtung immer ein großes Ereignis für die Bevölkerung bedeutete.
Entsprechend dürfte der Zulauf bei den Hinrichtungen auf dem Galgenberg gewesen sein. Überlieferungen in dieser Hinsicht fanden sich bis dato jedoch nicht.

Offensichtlich hat man damals bei der Hexenbekämpfung jedoch nicht ordentlich gearbeitet. Jedenfalls häufen sich Gerüchte, nach denen NachkommInnen der damals offenbar unentdeckt gebliebenen Hexen heutzutage erneut wieder ihren Schabernack z.B. in Brüssel, Berlin und Mainz mit uns treiben würden.

Neues von Strom und Stromern

Anfangs des Jahres 2013 veröffentlichte die Pfalzwerke AG ihre Pläne, vom Umspannwerk Oberndorf aus eine neue 110 kV Überlandleitung nach Bischheim zu bauen. Begründet wurde dies damit, dass an die bestehende 20 kV Leitung maximal zwei bis drei Windmühlen angebunden werden könnten, dann sei Schluss. Da in der damaligen Verbandsgemeinde Alsenz-Obermoschel bereits 13 Windkraftanlagen vorhanden seien und weitere 32 in der Planung wären, drohe für die bestehende 110 kV-Leitung, die von Otterbach Richtung Alsenz verläuft, die Überlastung. Ein Neubau einer 110 kV-Trasse sei unausweichlich.
Offensichtlich bestand jedoch keine Unausweichlichkeit. Diese Trasse wurde nicht gebaut.

Stattdessen wurden und werden die bestehenden 20 kV-Leitungen vom Umspannwerk Oberndorf nach Kirchheimbolanden bzw. Ruppertsecken erneuert. Die Arbeiten sind seit Sommer 2019 im Gange. Als Grund der Erneuerung wird das Alter der die Leitungen tragenden Masten genannt, der Stahl der Masten sei mittlerweile spröde und die Standsicherheit könne nicht mehr garantiert werden.

Doch offensichtlich gestalten sich die Arbeiten schwieriger als angenommen. Insbesondere stößt die konkrete Einmessung des Standortes der neuen Masten auf ungeahnte Schwierigkeiten.

Konkret wurden zwei Masten der neuen Leitung in der Gemarkung Oberndorf mitten in einen der Erschließung der Anliegergrundstücke dienenden Feldweg gesetzt.

CIMG1547

Die eingeschlagenen Pfähle markieren den linken Grenzverlauf des Feldwegs, notgedrungen müssen die Nutzer des Feldwegs auf die Anliegergrundstücke ausweichen.

CIMG1545

Der rechts vor dem Masten erkennbare Markierungspfahl steht auf der rechten Grenze des Feldwegs.

Möglicherweise erfolgte die Einmessung der Maststandorte mittels eines als „Groma“ bezeichneten, von den alten Römern entwickelten Instruments.
Die „Groma“ wurde insbesondere bei der „Limitation“ benutzt, dem Anlegen eines Legionslagers. Der Standort der erstmaligen Vermessung war der „locus Gromae“ und wurde festgelegt durch die „Auguren“.
Der Augur teilt sein Gesichtsfeld in vier Regionen, links und rechts, vorn und hinten, indem er markante Punkte am Horizont als Grenzmarken anvisierte und mit seinem Krummstab nach den entsprechenden Seiten hin Linien in die Luft zog.
Limitation bezeichnet das römische Vermessungswesen, eine kultische Handlung, bei der die Hauptachsen einer zu gründenden Siedlung festgelegt wurden. Diese kultische Handlung geht auf die Etrusker zurück, weshalb die Limitation ursprünglich Aufgabe eines Priesters war.

Eventuell hätte die bauausführende Firma bei der Festlegung der Maststandorte auch einen Priester zu Rate ziehen, oder – auf die heutige Technik vertrauend – vermittels GPS
die Standorte ermitteln sollen.

Welche Konsequenzen sich aus der Fehlallokation der Masten ergeben, stand bei Veröffentlichung dieses Beitrags noch nicht fest. Sollte sich in dieser Angelegenheit Neues ergeben, werden wir unsere Leser zeitnah informieren.

 

Kriegschronik von Oberndorf Teil XVII. und Schluß

Schluß

Von der Beendigung des Krieges hatte man, wenn auch keine Rückkehr zu den früheren guten Zeiten, so doch eine Besserung der Verhältnisse erwartet. Das Gegenteil trat ein. Mit dem für uns so schimpflichen Friedensschluß und dem Umsturz in unserem Vaterland trat eine unerhörte Teuerung ein. Die Preise für einzelne Lebensmittel und sonstige Bedürfnisse stellten sich 1920, wo die Chronik zum Abschluß gebracht wurde, wie folgt dar:
Es mußte bezahlt werden für Butter 8, dann 14 Mark, im Schleichhandel wurden 20 Mark verlangt, für amerikanischen Schinken und Speck 14 Mark das Pfund, Schmalz bis zu 30 Mark, Margarine 15 Mark, Kartoffeln 1919 5 Mark, für 1920 wurden 25 Mark für den Zentner angesetzt, Halbmilch 80 Pfennig, Vollmilch 1,50 Mark. Das Brot stieg von 67 Pfennig das Pfund auf 1,10 Mark, natürlich nur Kornbrot. Weißbrot kostete das Pfund 2 Mark. Für Heu wurde im Frühjahr 100 Mark bezahlt, das aber bald wieder auf 35 Mark fiel. Fleisch, das es oft wochenlang nicht gab, kostete 7 Mark, der Liter Wein 20 Mark, ein halber Liter Bier 1 Mark bis 1,20 Mark. Kleiderstoffe für Männer waren unter 200 Mark für das Meter nicht zu haben, so daß ein gewöhnlicher Anzug auf 800 bis 1000 Mark kam, Männerstiefel kamen auf 300 bis 400 Mark, Frauenstiefel, die nach neuester Mode gemacht wurden, erreichten eine Höhe von 800 bis 900 und 1000 Mark, Strümpfe 50 Mark, eine Krawatte 25 bis 30 Mark, ein Hut 100 Mark, Garn 15 bis 20 Mark die Rolle. Für 10 Schachteln Streichhölzer, die früher 8 bis 10 Pfennige kosteten, mußten 3,50 Mark gezahlt werden. Zigarren waren unter 1 Mark kaum noch zu haben, wenigstens keine genießbaren, ganz geringwertiger Tabak stellte sich auf 30 bis 40 Mark das Pfund. Dinge die dem Luxus dienten, erreichten noch höhere Preise, ein Stallhasenpelz wurde mit 8 bis 10 Mark, ein Maulwurfspelz mit 10 Mark, ein Fuchspelz mit 300 Mark und ein Marderpelz mit 600 Mark bezahlt.
Dementsprechend stiegen auch die Löhne. 18- bis 20jährige bekamen oft 25 Mark am Tag.
Spätere Geschlechter werden kaum mehr glauben wie groß die Not war.
Dennoch begannen schon in den Jahren 1918 bis 1922 Sammlungen für eine Gedenktafel für die im Krieg gefallenen aus der Gemeinde Oberndorf die 2164 Mark erbrachten. Diese Initiative führte schließlich zur Errichtung des Kriegerdenkmals bei der Kirche in Oberndorf, welches am 8. Juni 1924 eingeweiht wurde. In den Grundstein dieses Denkmals wurde eine Urkunde eingelegt, deren Text nachfolgend wiedergegeben wird.

Urkunde über die Errichtung des Kriegerdenkmals in der Gemeinde Oberndorf.

Zu Anfang des Jahres 1924 regte sich in der Gemeinde Oberndorf das Bestreben, den im Weltkrieg 1914/1918 gefallenen Ortsangehörigen ein Denkmal zu errichten. Schon gleich nach Kriegsende waren hierfür Mittel gesammelt worden, die aber in Folge der Geldentwertung im Jahr 1923 vollständig in Nichts zerrannen. Nun galt es neue zu beschaffen und es wurde zu diesem Zweck eine Sammlung von Haus zu Haus vorgenommen. Diese ertrug 370 Goldmark und 1285 Franken. Als Platz wurde der zur Kirche gehörige alte Friedhof ins Auge gefasst, der auf Ansuchen hin von den beiden Kirchenverwaltungen unentgeltlich zur Verfügung gestellt wurde. Herr Karl Fuchs von Mannweiler, ein Oberndorfer Kind, fertigte ohne jede Entschädigung die Pläne, während die nötigen Steine mit Erlaubnis des Besitzers, aus dem Steinbruch von Hermann Neubrech gewonnen wurden. Eine ganze Anzahl Ortsbewohner stellte sich bereitwillig in den Dienst der Sache, half die Steine brechen, verbrachte diese auf den Friedhof. Die Stein- und Bildhauerarbeiten wurden von einheimischen Kräften rasch nacheinander ausgeführt, so daß die Aufstellung des Denkmals am 24. Mai 1924 erfolgen und die Einweihung für Pfingsten in Aussicht genommen werden konnte.
Trägt das Denkmal auch nur die Namen der sechs Gefallenen, so soll es doch zugleich ein Ehrenmal für alle sein, die während des Krieges ihre Kräfte dem Vaterland zur Verfügung gestellt haben. Es waren dies folgende 53 Mann:

1). Barwick Ernst
2). Bauer Friedrich
3). Benz August
4). Blum Jean
5). Blum Willibald
6). Bollenbach Gustav
7). Dautermann Wilhelm
8). Dautz Paul
9). Doll Friedrich
10). Doll Otto
11). Ebersold Friedrich
12). Finkenauer Friedrich
13). Frölich Friedrich
14). Grimm Ludwig
15). Grimm Otto
16). König Albert
17). König Otto
18). Korz Franz
19). Linn Karl
20). Michels Friedrich
21). Müller Heinrich
22). Müller Jacob
23). Müller Otto
24). Müller Wilhelm
25). Müller Philipp
26). Müller Georg
27). Müller Willi
28). Neubrech Hermann
29). Nickel Valentin
30). Prezius Heinrich
31). Prezius Johann
32). Schlarb Friedrich
33). Schückler August
34). Schückler Heinrich
35). Schückler Karl
36). Schückler Ludwig
37). Schuhmacher Jakob
38). Schworm Friedrich
39). Simon Wilhelm
40). Spuhler Theodor
41). Thamerus Philipp
42). Walter Friedrich
43). Walter Peter
44). Weinheimer Philipp
45). Weinheimer Robert
46). Weinheimer Wilhelm
47). Wenz Peter
48). Wolfänger August
49). Wolfänger Heinrich
50). Zepp August
51). Zepp Eugen
52). Zepp Karl
53). Zepp Wilhelm

Von diesen sind auf dem Feld der Ehre geblieben:
1). Ebersold Friedrich
2). Nickel Valentin
3). Schlarb Friedrich
4). Spuhler Theodor
5). Zepp August
6). Zepp Eugen

In Gefangenschaft gerieten: König Albert, Weinheimer Robert, Blum Jean, Wenz Peter.
Verwundet wurden: Barwick Ernst, Bauer Friedrich, Blum Willibald, Grimm Ludwig, Grimm Otto, Müller Wilhelm, Müller Jakob, Schückler Heinrich, Wenz Peter, Wolfänger August.

Außer diesen Opfern an Menschenleben brachten die Gemeindeglieder auch solche von ihrer Habe, in dem sie sich lebhaft an den Sammlungen für die Kämpfenden und die Verwundeten beteiligten.
Im Jahre 1924 zählte Oberndorf 312 Einwohner, 208 Protestanten und 104 Katholiken. Ortsvorstand während des Krieges war Heinrich Schneider, Inhaber der protestantischen Pfarrstelle Pfarrer Philipp Stock, der katholischen die Pfarrer Nachtigall und Poth, protestantischer Lehrer Friedrich Ebersold, katholischer Lehrer Johannes Kohlmeier.
Die Schule war besucht von 25 protestantischen und 18 katholischen Schülern. Außer dem Aufmarsch des Heeres am Anfang des Krieges und zahlreichen Transporten von Kriegsmaterial während desselben, hat die Gemeinde vom Krieg nichts zu verspüren bekommen.

CIMG1544

CIMG1542

Die Metalltafel auf dem Mahnmal wurde erst nach dem zweiten Weltkrieg angebracht und verdeckt die darunter verzeichneten Namen der im ersten Weltkrieg gefallenen Soldaten.

Kriegschronik von Oberndorf Teil XVI.

Berichte aus Briefen der Kämpfer VII.

Mohr Hermann von Mannweiler teilte am 19. September 1914 auf dem Bahntransport nach Belgien mit, daß er am 15. September für sein tapferes Verhalten in dem Kampfe bei Baronweiler (Schlacht bei Metz – Mörchingen) das Eiserne Kreuz erhalten habe und hofft auch die Engländer verhauen zu dürfen, was in der Folge auch geschehen ist.
Montauban, 6. Oktober.
Seit drei Tagen habe ich es etwas gemütlicher; ich bin seit dieser Zeit Waldarbeiter bei der Brigade und habe so Gelegenheit ein regelmäßiges und besseres Quartier zu bekommen. Wir sind nicht mehr in Belgien, sondern längst wieder in dem berühmten Welschland, ungefähr 120 km nordwestlich Paris. Von Sablon bei Metz aus nahmen wir unseren Weg durch Luxemburg nach Belgien und überschritten nach 8tägigem Marsch die französische Grenze und am 7. September hatten wir schon große Gefechte, zum Teil mit schweren Verlusten.
Ypern, 6. November.
Allgemein haben wir hier wieder schwer zu kämpfen.
Hollebeke, 30. November.
Jetzt sind wir auf drei Tage abgelöst und befinden uns auf einer Farm zur Erholung. Ja, das wäre eine Freude, Weihnachten zu Hause. Leider müssen wir das schöne Fest im Felde feiern. 7. Dezember, soeben bin ich mit meiner Geschützbedienung in einem nahen, verlassenen und zerschossenen katholischen Pfarrhause und wir singen eben „im schönsten Wiesengrunde“! Hier übernachten wir, denn in den Unterständen haben wir sehr viel Wasser, da es seit 6 Tagen ununterbrochen regnet.
25. Dezember. Wie Weihnachten bei uns war, möchten Sie wohl gerne wissen? Hören Sie: „Stille Nacht, heilige Nacht?“ Heilig war uns die Nacht, aber nicht still. Um 8 Uhr Abends erschreckten uns die Rothosen durch ein mörderisches Artilleriefeuer, gerade als ob sie gemerkt hätten, daß wir im selben Augenblicke unser Christbäumchen aus dem Unterstand über die Straße hinüber nach dem Festsaal – einem Keller – tragen wollten. Neben uns, 15 m weg, wurden 7 Pioniere verwundet, davon einer tödlich. Vielleicht 10 min später wollten sie „fröhliche“ Weihnachten feiern – Kriegerschicksal! Daheim unterm Christbaum halten vielleicht ihre Angehörigen einen Brief in der Hand, der ihnen das Wohlbefinden ihres Kriegers meldet und in Wirklichkeit liegt mancher zur selben Zeit in den letzten Atemzügen. Das wirklich schöne Christbäumchen mit seinem einfachen aber feierlich wirkenden Schmuck wurde hinübergebracht. Erstaunt und überrascht betrachteten es die anderen Kameraden. Ich selber zündete die 19 Kerzen an. Für einige brachte die Post noch ein Weihnachtspaket oder einen Brief aus der Heimat – für mich nicht. Die Weihnachtsstimmung aber blieb aus, trotzdem sie das von mir angestimmte „Stille Nacht“ mitsangen. Die Gedanken aller waren wohl in der Heimat. Zu schießen brauchten wir während der Nacht nicht. Heute früh läuteten daheim die Glocken zum Gottesdienst, unser Glockenklang ist der Donner unserer Haubitzen. Im Stillen aber beten auch wir auf hartgefrorener belgischer Erde: „Der Vater aller Menschenkinder erhöre unser Flehen. Gib, daß wir alle, alle wieder, siegreich unsere Heimat sehen“.
Osttaverne, 5. Februar.
Das Eiserne Kreuz erhielt ich am 19. August 1914
Schwon Veld Ferme bei Houthem, 10. Februar.
Das Quartier auf dieser Ferme (die Bewohner sind auch anwesend) ist sehr gut. Wir kamen heute früh aus der Feuerstellung zu dreitägiger Ruhe auf die Ferme. Es soll die letzte Ruhepause sein. Dann geht es wieder Tag für Tag in einem fort: Schießen und im Felde kampieren.
Vor Ypern, 24. März.
Am 21.3. wurde ich für bewiesene Tapferkeit vor dem Feinde zum Sergeanten befördert.
Bald darauf wurden ihm durch eine in den Händen losgegangene Granate beide Beine fast gänzlich abgeschlagen. Am 21. Mai schrieb er:
Bin transportfähig und komme morgen nach Deutschland, wohin unbekannt. Er kam in ein Lazarett in Cölln. 25. Juni 1915, mein Befinden ist ausgezeichnet und ich erwarte täglich meinen Transport in die Heimat. Um meine Zukunft bangt mir nicht. Ich habe von meinem früheren Amt in Kaiserslautern schon die Mitteilung, daß ich höchstwahrscheinlich wieder nach meiner Heilung den früheren Dienst wieder aufnehmen kann.
Oberrealschule Kaiserslautern, 20. Juli. Seit gestern bin ich hier im Lazarett, woselbst es mir bis jetzt recht gut gefällt. Mein Befinden ist befriedigend.

Heinrich Müller von Oberndorf rückte als Fahrer einer Munitionskolonne des 6. bayerischen Artillerieregiments ins Feld. Von Fuchsstadt bei Hammelberge, wo seine Abteilung aufgestellt wurde, schrieb er am 19. Oktober 1914:
Da wir morgen von hier ins Feld abrücken, drängt es mich, Herr Pfarrer, Ihnen und Ihrer Familie die besten Grüße von heimatlichem Boden zu senden. Er kam zunächst nach Comines, von wo er am 5. November schrieb: Mut und Vaterlandsliebe teilen Millionen meiner Kameraden mit mir und es wäre eines Deutschen unwürdig, sein Vaterland nicht mit dem letzten Blutstropfen zu verteidigen. Unsere Aufgabe ist hier gelöst, jetzt sprechen die schweren Geschütze. Das Zischen und Brüllen der uns überfliegenden und vor uns einschlagenden Geschoße regt uns nicht auf, wir schlafen den tiefsten Schlaf.
Warenton, 30. November.
Der Krieg läutert und bessert manches Gemüt, welches bisher an unseren staatlichen und religiösen Einrichtungen und Gebräuchen ein Nörgler war (Müller hielt vor dem Kriege sich zur sozialdemokratischen Partei, besuchte aber fleißig den Gottesdienst). Wir stehen vielleicht auf längere Zeit hier, im Zentrum unserer Schlachtfront. Unsere Gegner versuchten nun schon mehrmals unsere Reihen zu durchbrechen, wurden aber mit schweren Verlusten zurückgeworfen. Sie sollen nur kommen. Sie spüren schon den eisernen (Flügel) Druck unseres vorziehenden Flügel. Es hilft ihnen alles nichts.
Warenton, 3. Dezember.
Eben sind lebhafte Bewegungen unsererseits im Gange. Es ist mir alles Geheimnis und es ist nicht gut so: Wie manche Operation ist schon mißglückt infolge frühzeitiger Bekanntgabe der militärischen Unternehmungen. Wir haben ja, was ein großer Vorteil ist, eine gute Führung und wo eine solche vorhanden ist, kämpfen auch die Truppen mit Siegesgewissheit. Hoffentlich fällt auch hier bald die Entscheidung und das stolze Albion wird eines anderen belehrt, als unser Vaterland kleinzukriegen. Das deutsche Volk wird nicht als eine untergehende, sondern als eine maßgebende Macht dastehen. Was in diesem Kriege schon geleistet worden ist von unserem herrlichen Heere im Osten und Westen und draußen zur See und in den Kolonien, wird unauslöschlich in der Geschichte fortleben. Wir haben uns hier schon wohnlich eingerichtet. Für unsere Pferde haben wir mit Brettern und Stroh einen Stall errichtet vor Warenton in einem Wiesenthale. Wir schlafen in einem leeren Warenspeicher. Man hat doch etwas Schutz. Es sind ja viele Löcher von Schrapnell- und Gewehrkugeln vorhanden, wo der Regen Einlass findet, aber wir schlafen ganz herrlich und es kommt einem vor, als wenn kein Krieg wäre, da wir eben wenig zu tun haben, in dem unsere Batterien untätig in der Schlachtfront stehen und nur die Schweren ihre surrende, pfeifende und brummende Musik erhören lassen. Gestern und Heute ritten wir spazieren über die Grenze nach Frankreich.
Warenton, 22. Dezember.
Die Gegner suchen mit aller Gewalt durchzubrechen. Da können sie sich aber ihre Schädel einrennen. Wir halten sie schon in Schach. Wenn wir nur einmal Calais haben. Heute schlugen mehrere schwere Granaten hier ein, in unmittelbarer Nähe von uns. Teile davon flogen kaum 30 m von uns in den Boden. Resultat: 1 Mann tot, 7 verwundet. Exzellens Hindenburg hat dem Vaterland ein schönes Weihnachtsgeschenk bereitet. Wie ich hier, sollen seine Truppen herüberkommen und das hier rasch dem Ende entgegenbringen. Ich hatte das Glück, schon dreimal den Feldgottesdienst besuchen zu können und am heiligen Abendmal teilzunehmen.
Wambrectis, 21. Januar 1915.
Ich habe schon oft darüber gestaunt, daß man seit 22. Oktober nicht mehr die Uniform vom Leibe bekommen hat und der Gesundheitszustand doch ein so befriedigender ist. Hoffentlich hält der an und wir kehren gesund heim. Weihnachten haben wir würdig gefeiert in der Kirche zu Warenton am strahlenden Weihnachtsbaum. Auch wurde jeder reichlich beschenkt. Das deutsche Volk hat seinen Kriegern überwältigend schöne Weihnachten bereitet. Es hat Großes geleistet. Wir wollen auch ihm den Dank nicht schuldig bleiben und treu und mutig unsere Pflicht erfüllen, bis unsere Feinde darniederliegen. Wir haben immer nasses, rauhes Wetter, kollosal dichten Nebel, die Tage sind grau und trübselig. Unsere Kameraden in den Schützengräben müssen viel aushalten, beständig müssen sie die Gräben auspumpen. Da ist es mit dem Vorgehen nichts. Am 5. und 6. Januar wurde Warenton, vor welchem wir wochenlang lagen, vom Gegner mit schweren Geschützen beschossen. Selbst das Spital bekam seinen Teil. Zwei Volltreffer in den Mittelbau. Unsere Artillerie blieb die Antwort nicht schuldig und eröffnete ein raßendes Schnellfeuer auf die Ortschaften hinter der gegnerischen Front. Drei Dörfer wurden in Grund und Boden geschossen. Am 7. rückten wir von Warenton nach hier ab, um unsere Pferde mal wieder in Ordnung zu bringen. Wir haben viele kranke Pferde. Sogar die Brustseuche (Pferdegrippe) war ausgebrochen. Hier sind wir außer Schußbereich und leben in Frieden.
21. Februar.
Zu Karls Konfirmation werde ich nicht daheim sein. Die Pflicht dem Vaterland gegenüber geht vor. Ein schwerer Tag der Väter im Felde. Noch schwerer für die Lieben daheim. Auch für Sie, Herr Pfarrer, ist es ein schweres Amt, unseren Lieben in diesen schweren Stunden Kraft zu spenden.
Furnes, 15. März.
Am 7. März sollte die Division zur Erholung zurückgezogen werden. Wir rückten nachts 2 Uhr von La Vigne ab nach Lonnoy, wo wir morgens um 2 Uhr 30 ankamen. Am 10.03. nachmittags 3 Uhr wurde unser Regiment alarmiert, um 7 Uhr zogen wir schon durch die Festung Lille. Eine schöne Stadt. Viele herrliche Häuser in Schutt und Trümmern. Dort hielten wir eine kurze Zeit und erhielten weitere Befehle. Dort wurden wir den Zweck unseres Alarmes gewahr. Die Engländer wollten mit großer Übermacht durchbrechen, die Schlacht war in vollem Gange. Unser Regiment griff gleich ein. Bei Furnes begrüßten uns die ersten Granaten. Das war einmal wieder ein Leben, da schlug einem das Herz freudig in Erwartung der kommenden Dinge. Wir hielten auf der Hauptheerstraße. Am 18.03. verfeuerte unsere 5. und 6. Batterie 2000 Schuß. Die Engländer und Indier lagen meterhoch aufeinander tot. Massenhaft hingen sie in den mit Elektrizität geladenen Drahtverhauen. Auf dem Rückweg nahmen wir Verwundete mit aus der Feuerlinie. Auf meinem Wagen hatten wir einen Kameraden aus Leipzig. Ein Schrapnell hatte ihm den linken Arm abgerissen, linkes Bein und rechte Schulter aufgerissen, bei allem plauderte er immer noch lebhaft in der sächsischen Manier. Wir hatten auch schwere Verluste. Tag und Nacht sausten unsere Sanitätsautos, vollgefropft mit Schwerverwundeten. Die englische Offensive ist an unseren ehernen Reihen zerschellt. La Chapelle haben wir genommen und sitzen wieder ruhig und warten bis sie wieder Lust haben zu einem Besuch. Ich fühle mich Gesund und freue mich, wenn wir zu solchen Dingen engagiert werden. Die Bayern haben sich wieder hervorragend geschlagen. Das macht uns keiner nach. Möge dem deutschen Volke seine Einigkeit bleiben, dann greift uns keiner mehr an.
Ferme Longne (Warvin) 2. Mai 1915.
Bei uns ist wieder pulsierendes Leben und Treiben. Die Herren wollten wieder heraus, in einer halben Stunde war die Sache erledigt, sie hatten genug, fielen wie die Flocken. Jetzt wäre ich gerne in unserer alten Stellung in Ypern. Der berühmte Kemmelberg liegt ungefähr so vor uns als wie von daheim wir von der Langgewann aus den Donnersberg sehen. Dort soll sich in den nächsten Tagen wieder wichtiges ereignen. Die Engländer sind so gut wie eingeschlossen dort. Wenn man nur wüßte, was für Truppen wir zur Verfügung hätten. Man tappt da wie im Dunkeln. Wir können ja stolz und zuversichtlich unserer Armeeleitung vertrauen. Ich denke, wenn hier durchgedrückt werden soll, müssen Massen im Rücken stehen. Wir sind alle froh, wenn der Tag mal losgeht. Ich glaube annehmen zu dürfen, uns gehts wie den Kreuzfahrern, die angesichts Jerusalems niederfielen und Gott dankten. So wird es auch uns gehen oder wenigstens denen, welche es erreichen den Ozean, Calais zu sehen. Unser ganzes Sinnen und Streben ist es, den Engländern ordentlich zu Leibe zu gehen. Es wird jetzt schon jenseits des Kanals wackelige Hosen geben. Unsere Sache steht ja sehr gut und die beste Aussicht auf gänzliche Niederwerfung unserer Feinde ist vorhanden. Die Opfer sind sehr groß, aber unsere Nachkommen werden nicht so bald mehr angegriffen werden.
Nordfrankreich, 6. Juni.
Durch das Eingreifen unseres treulosen und verräterischen Bundesgenossen Italien gegen uns können wir unsere gehegten Friedensgedanken und Rückkehr zum heimatlichen Land noch in weite Ferne zurückstellen. Etwas traurigeres hat die Welt noch nicht erlebt. Viele Opfer kostet uns dieser Verrat mehr, aber eine Verbitterung ist vorhanden, welche Italien teuer zu stehen kommt. Kollosale Anstrengungen machen hier unsere Gegner, um ihren schon lange in Aussicht gestellten Durchbruch durchzuführen. Da würden aber ihre ganzen Armeen aufgerieben. Ungeheuere Verluste erleiden sie und wie sind ihre Berichte so schön frisiert. Armes, belogenes Volk! Wie wird es mit ihm werden, wenn es die wahren, nackten Tatsachen erfährt? Jetzt muß alles fort, jetzt gilt es unseren Gegnern zu zeigen, was wir sind. Wie wird es den alten, ungedienten Jahrgängen des Landsturms so schwer fallen, das Waffenhandwerk zu lernen und Strapazen mitzumachen. Wir, die wir gedient haben, empfinde das weniger. Wenn ich an so einzelne Persönlichkeiten denke, dauern sie mich. Es hilft aber nichts. Wie wird Oberndorf so leer. Wir sollen auch hier fortkommen, es geht so ein Gemunkel. Obs nach Italien, Russland oder sonst wohin geht, weiß keiner. Auf einmal wird alarmiert und es geht ab. Wo uns das Vaterland hinstellt,werden wir immer unsere Pflicht erfüllen bis zum letzten Atemzug.
14. Dezember.
War in letzter Zeit schon dabeigewesen, wo ein Wiedersehen ausgeschlossen schien. Es sind dies denkwürdige Erinnerungen, welche man später, wenn man wieder glücklich zurückkommt, in heimatlichen Kreisen erzählen kann, da es nicht gestattet ist, es schriftlich zu tun. Es wird auch Grund genug vorhanden sein, solch scharfe Einschränkungen zu erlassen, da doch ein Zeug hingeschrieben wird, das aller Beschreibung spottet. Wir Landstürmer sollen ja zurückkommen, wie man hört; es sind dies nur Vermutungen, bis Mitte Januar. Mir persönlich wäre es lieber in der Front, aber man muß auf seine Familie Rücksicht nehmen. Zum zweiten Mal feiern wir jetzt das Weihnachtsfest im Felde. Hoffentlich feiern wir es das nächste Jahr in der lieben Heimat. Am Freitag Nachmittag 4 Uhr haben wir Weihnachtsgottesdienst. Wer frei hat, freut sich, doch der Dienst kommt zuerst, die Kriegsmaschine steht nicht still. Haben wir nicht das Glück, dabei zu sein, macht dies nichts. Unsere Gedanken sind doch bei euch in der lieben Heimat, im trauten Heim und Dörfchen. Herrliches wird daheim geleistet, den Kämpfenden draußen ihre schwere Pflicht zu erleichtern. Heißer Dank strömt zurück für all die Liebe und Hingabe.

Der Schwager des Vorigen, Wilhelm Müller von Oberndorf, der ebenfalls zur sozialdemokratischen Partei gehörte, sich aber wenig in der Kirche hatte sehen lassen, war im Herbst 1915 als ungedienter Landsturmmann ins Feld gekommen. Derselbe schrieb am 2. Januar 1916 aus Nordfrankreich folgendes:
Die zweiten Kriegsweihnachten sind gefeiert, bei mir die ersten im Felde. Traurige, quälende Stunden sind es, die Erinnerung an die Jugendzeit, fern von der lieben Heimat in Feindesland unter solchen Zwängen, vor dem Feinde Weihnachten zu feiern. Unser Kompanieführer hat es verstanden unterm Kerzenschein auch mit uns Weihnachten zu feiern. Jeder wurde mit einer kleinen Gabe bedacht. Das freut einen, daß die in der lieben Heimat an die Krieger denken. Mit Freuden zieht man in die Stellung und schützt unser liebes Vaterland, unsere treue Heimat vor dem Eindringen der Feinde. Da können sie die Köpfe anrennen, wir können den kommenden Dingen ruhig entgegensehen. Heil und Sieg wird nicht mehr allzu fern sein. Unsere Stellung ist eine ganz windige. Am 30. Dezember haben die Herren Engländer einen Denkzettel von uns bekommen, durch eine Sprengung, in welcher 370 Zentner Sprengstoff waren, haben wir einen Graben zerstört. Punkt 5 Uhr abends gings los mit Einsatz von 8 Artilleriebatterien. Ein Feuerberg ging in die Höhe, ein Surren in der Luft und ein Donnern, das nicht zu beschreiben ist. Das war ein Neujahrsgruß! Alle 4 Tage gehen wir in Stellung. Harte Tage sind es, man gewöhnt sich aber an alles, da heißt es Kopf hoch und laß den Mut nicht sinken. Opfer müssen gebracht werden, das Vaterland verlangt es. Das Jahr 1916 wird ja ein Friedensjahr werden und das Blutvergießen wird aufhören, daß wieder jeder deutsche Mann seinem Beruf nachgehen kann.

Von dem Vizewachtmeister im 1. bayerischen Landwehr-Feldartillerieregiment Fritz Walter von Oberndorf rühren folgende Mitteilungen her:

KK S 147

Fritz Walter

Geiskirchen, 21. September 1914.
Wir waren in Luneville 4 Tage fest im Gefecht, wo uns eine 3 – 4 fache Übermacht gegenüberstand. Sind jetzt wieder etwas zurückgegangen. Sehr schlechtes Wetter. Habe schon 14 Tage keine Uniform mehr vom Leibe gebracht. Jede Nacht im Freien. Unsere Parole ist: Sieg oder Tod!
Fresnes en San Louis, 4. Oktober.
Schlarb Fritz tut mir sehr leid, denn er hat mich nicht im Stich gelassen, besonders dieses Jahr beim Neubau meiner Scheuer. Hätte ich es gewußt, hätte ich sein Grab besucht, denn ich war vom 6. – 12. September in Luneville. Wenn ich nochmals in die Nähe komme, werde ich ihm einen Kranz widmen. Wer weiß, wie es uns geht?
14. Oktober.
Wir hatten heute zum ersten Mal wieder Gelegenheit, seit dem 5tägigen Gefecht bei Luneville, dem Feind zu zeigen, daß die Landsturmbatterie noch da ist und sich verteidigt wie eine aktive. Denn es sind lauter Leute von 39 – 45 Jahren, blos 5 Unteroffiziere in meinem Jahrgang, die noch zur Ausbildung nötig waren. Auch unsere Offiziere sind Landsturmmänner. Heute morgen um 3 Uhr 30 hatten wir Alarm, rückten ab nach Bey, gingen auf den Kirchturm, um zu beobachten. Bürger schlossen die Türen und schossen auf unsere Infanterie. Einige Infanteristen wurden gefangen. Dann wurde der Turm und ein großer Teil von Bey von uns zusammengeschossen. Auch die Schützengräben haben wir stark mit blauen Bohnen besät. Der Kampf währte bis Mittag 2 Uhr, als wir ein feindliches Artilleriefeuer bekamen und gedeckt in einen Wald verduften konnten ohne Verluste. Große Kämpfe hatten wir auf der ganzen Linie keine mehr seit 10. September. Es steht auch nur Landwehr und Landsturm da. Aber Tote und Verwundete gibts jeden Tag, wenn auch nur wenige, denn der Feind versucht immer kleine Ausfälle. Gestern morgen hatten wir Feldgottesdienst von einem Feldprediger. Derselbe hielt eine sehr schöne Predigt und jeder, wenn er vielleicht auch früher nicht so der Kirche geneigt war, wohnte bei. Ich kann Ihnen bestätigen, es war kein Zwang bei uns mitzugehen, aber wer keinen Dienst hatte, war da und hörte aufmerksam zu. Bekannte sind bei mir gar keine als ein Mann von Alsenz. Es sind lauter Leute von anderen Armeekorps, meistens Preußen. Ich habe, seit wir hier sind, ein Bett und fühle mich wohl. Vorher waren wir immer im Feuer, waren höchstens von Abends spät bis Morgens früh massenhaft in einer Scheune. Wenn man wochenlang nicht die Kleider vom Leibe bekommt, ist es nichts schönes. Aber trotzdem verlieren wir den Mut nicht, denn unsere Aufgabe ist es, das Vaterland zu verteidigen und wenn wir noch so ungern unsereFamilie im Stich ließen, ist die heutige Aufgabe noch größer als wie die, als Ernäherer zu Hause zu sein. Der liebe Gott hat uns bisher geholfen und wird auch weiter helfen.
3. November.
Wir hatten ein mehrtägiges erfolgreiches Gefecht. Hier ist auch der Typhus ausgebrochen. Wenns um Gottes Willen ist und nimmt bald ein Ende.
10. November.
Heute sind wieder ein Feldwebel, 1 Unteroffizier, 1 Gefreiter und 1 Mann gefallen. Jeden Tag fallen einzelne. Ungefähr 20 Mann sind an Typhus erkrankt. Alle Vorsichtsmaßnahmen sind getroffen. Ihre Zeitungen kommen jetzt regelmäßig.
23. November.
Ich wäre am 21. November fast verunglückt. In aller Frühe um 5 Uhr bin ich mit dem Pferd gestürzt, geht aber wieder.
3. Dezember.
Mein Wunsch wäre, wenn Sie einmal unser Treiben sehen würden. Das ganze Feld ist mit Schützengräben, Geschützstände, Unterständen und Drahtverhauen durchzogen, die Täler mit Wasser gefüllt, wo es nur möglich ist. Mein Stand hier, den ich mit meinen Kanonieren selber gebaut habe, ist 2,60 m breit, 3 m lang und 1,80 m hoch, mit dicken Eichenstämmen, die wir selber im Wald gehauen, gedeckt, dann Bretter drüber und zuletzt, je nachdem noch 1 m hoch mit Grund bedeckt und zuletzt wird alles dem Gelände angepasst, wie es gerade ist, z.B. wenn es Klee oder Wiese ist, kommt Rasen drauf, ist es Stoppelfeld, dann kommen Stoppeln drauf, so daß es immer aussieht wie das Feld. Von meinem Sturz mit dem Pferd bin ich geheilt, das rechte Bein tut noch ein wenig weh. Ich hatte 6 Tage Schonung. Was den Kampf anbelangt, so ist es ziemlich ruhig. Gefechte sind öfters, aber unsere Stellung ist so fest, daß es dem Feinde durchzudringen unmöglich ist, obwohl er es öfter wagt. Vorige Woche sind auch Bomben in unserer Nähe niedergegangen, aber ohne Schaden. Flieger sehen wir jeden Tag, von uns und vom Feind. Hier in Fresnes liegen schon viele beerdigt. Ich war auch schon zweimal mit beim Begräbnis, denn wenn es möglich ist, werden die Toten vom Feld ins Dorf auf den Friedhof gebracht. Was unser Essen anbelangt? Morgens Kaffee und Kommisbrot, mittags Fleisch und Suppe (Gerste, Reis, Gries, Konserven und dergleichen), abends: Tee oder Kaffee und Königskuchen (Kommisbrot). Zu kaufen ist wenig. Wenn einmal etwas kommt aus Dieuze, Saarbrücken oder Metz, ist es sehr teuer und nicht gut. 1 Pfund Wurst 2 Mark, 1 Pfund Butter 1,80 Mark, 4 Pfund Brot 1 Mark. Wein oder Bier gibt es nicht, Schnaps wenig, sehr teuer und sehr schlecht. Uns fehlen am meisten die Kartoffeln, die sehr rar sind, bekommen oft 14 Tage keine. Die ersten Truppen haben sie auf dem Felde schon ausgemacht. Unser Dorf ist stark besetzt, alle Häuser, Scheunen, Ställe liegen voll Soldaten, blos die Offiziere und einge Unteroffiziere haben Betten.
16. Dezember.
Dieses Jahr gibt es in vielen Familien statt fröhliche traurige Weihnachten. Aber der Gott, der bis dahin geholfen, wird auch weiter helfen und in Zukunft die Welt führen. Wir hatten diese Woche wieder Feldgottesdienst und Abendmahl, gewöhnlich vor einer Schlacht. Wir haben jetzt viel Dienst und meistens schlechtes Wetter. Von morgens früh bis abends spät, sogar viele Nächte müssen wir draußen im Feld zubringen. Ich war in den letzten 6 Tagen schon 3 Nächte draußen. Sehr wahrscheinlich kommen wir morgen fort von hier in ein anderes Dorf, denn wir wurden schon mehrere Mal von feindlicher schwerer Artillerie beschossen. Viele Häuser, alle mit Leuten und Pferden belegt, wurden getroffen, ungefähr 12 Zivilisten tot und verwundet und auch mehrere Soldaten schwer verletzt, sowie Pferde und Kühe tot und verwundet. Während des Mittagessens sind 4 Personen getötet worden von einem Geschoß. Wenn man abends schlafen geht, ist man so wenig sicher wie draußen. Die Gewalt von einem schweren Geschoß sollten Sie einmal sehen. Wir bekommen oft Liebesgaben, allerhand Sachen, Wäsche, Esswaren, Rauchsachen, das geht doch ins Unendliche. Wir können Gott darum danken, daß der Feind nicht in unserer Heimat ist, denn wie es an der Grenze aussieht und zugeht und alles aufgebraucht ist, ist kaum zu sagen. Ein Elend! Jeden Tag sieht man Familien mit dem Bündel wandern, kein Haus mehr, alles in Brand geschossen.
30. Dezember.
Wir haben besonders über Weihnachten viel feindliches Feuer bekommen, aber auch entsprechend erwiedert. Am Bescherungsabend bekamen wir 8 schwere Schuß ins Dorf. Am nächsten Tag schoß unsere Fußartillerie 2 französische Dörfer zusammen. Unsere Stellung ist seit 10 Wochen noch nicht geändert, aber doch haben wir oft schwere Gefechte. Leute kostet es jeden Tag. Unsere Weihnachten waren deshalb keine besonders freundlichen, aber trotzdem hat unser Pfarrer beim Weihnachtsfeldgottesdienst gesagt, daß sie besonders freudig wären, weil unsere Lieben in der Heimat durch unsere große Tapferkeit und Ausdauer von den Feinden befreit wäre und das der Sieg in unsere Hände fallen müsse.
8. Januar 1915.
So stark das Schießen von Weihnachten bis Neujahr war, so ruhig ist es jetzt. Was uns am meisten zu schaffen macht, ist das anhaltende Regenwetter. Von morgens früh bis abends spät müssen wir draußen sein, oft auch nachts. Wer da nicht verwundet wird, muß mit der Zeit krank werden.
31. Januar.
Wir haben hier 12 – 15 cm hohen Schnee und 14 Grad Kälte, muß jede dritte Nacht draußen sein. Vor einigen Tagen sind drei feindliche Schrapnells auf 10 – 12 m vor mir in die Erde.
4. Februar.
Haben heute 200 Schuß gemacht. Bei uns keine Verluste, nur in Gremecy vom Feind 4 Zivilpersonen, 6 Kühe, 5 Pferde getötet. Für die Ortsbewohner ein Elend!
5. Februar.
Jetzt bauen wir einen Stall in einem großen Wald zwischen Fresnes und Gremecy für unsere sämtlichen Pferde, denn in Gremecy, wo unsere Vorpostenstellung ist, wird jeden Tag von den Rothosen geschossen. 6 – 8 Häuser sind schon abgebrannt. Wir sind keine Minute sicher, denn auch nach Fresnes, wo unsere Hauptstellung ist, kommen schwere Geschoße.
11. Februar.
Wir schießen jetzt fast jeden Tag und zwar fest, auch sind wir in letzter Zeit einigemal fest beschossen worden, mußten sogar in eine andere Stellung, weil der Feind unsere entdeckte. Dann haben wir eine markierte Batterie hingestellt; zwei Räder mit Achsenstock und einen Baumstamm drauf, Gesträuch herum und die Rothosen schießen auf sie, während wir 1000 m davon stehen. Gerade an dem Tage, wo wir so stark beschossen wurden, war unser Beobachtungsstand 500 m vor der Batterie auf einem hohen Punkt. Plötzlich ging das Telefon nicht mehr. Ich war vorn und ging auf Befehl meines Zugführers zurück in feindlichem Granatfeuer ohne jegliche Deckung und brachte das Telefon wieder in Ordnung, daß wir wieder schießen konnten. Unter anderem gingen 3 Geschoße auf 7 Schritt vor mir nieder. Die Anderen sahen vom Walde zu und da ich mich niederlegte und sprungweise weiter ging, meinten sie, ich sei tot, wenigstens verwundet. Es ging aber Gott sei Dank ohne Verletzung ab. Auch 2 Schritt neben unserem Geschütz gingen Geschoße nieder. Unsere neue Stellung haben die Flieger noch nicht entdeckt. Auch ohne ist wieder kräftiges Artilleriefeuer. Wenn es nur einmal ein gutes Ende hätte.
21. Februar.
Habe gestern 4 feindliche Geschütze entdeckt von einem Hochstand aus, den ich mit 6 Mann baute, eine sehr hohe Eiche, 20 m hoch. Wir sind gestern wieder beschossen worden, die Schrapnellkugeln flogen uns nur so um die Ohren.
19. März.
Wir sind jeden Tag draußen und kaum Unterstände, wir sind die meisten Waldbewohner. Haben schönes Wetter, wenn es nur standhält.
Salonnes, 2. Mai.
Wir liegen jetzt in Salonnes. War in den letzten Tagen, 27 – 29 April und 1. Mai, schwer im Feuer. Wie durch Gottes Fügung kam ich hier davon.
30. Juni.
Der Monat Juni ist jetzt auch vorbei, mithinschon der 11. Kriegsmonat, aber immer noch kein Ende zu sehen, obwohl man doch habe darauf hoffen können. Will Ihnen auch die freudige Mitteilung machen, das ich gestern zum Vizewachtmeister befördert worden bin.
3. August.
Heute feiere ich mein Jahresfest, 365 Tage sind verflossen im Feld, wenn es Gottes Wille ist, wird das Glück, das mir bis jetzt hold war, mich auch fernerhin nicht verlassen.
3. September.
Wir liegen 1 km vor Embermenil vor dem Fort Manonviller.
20. September.
Hier auf unserer Front werden große Vorbereitungen getroffen –

Hier brachen die Aufzeichnungen ab, die Berichte aus Briefen der Kämpfer enden hiermit.

 

Kriegschronik von Oberndorf Teil XV.

Berichte aus Briefen der Kämpfer VI.

Von dem Lehrer der hiesigen protestantischen Schule, Ebersold, der beim Beginn des Krieges als Vizefeldwebel zum 8. bayerischen Reserveregiment, 1. Kompanie, einrückte, gelangten Nachrichten hierher, aus denen das Folgende mitgeteilt wird:

8. September 1914. Die besten Grüße aus dem Schützengraben am Waldesrand, wo ich inmitten meines Zuges liege. Sie wissen gar nicht, wie unendlich wohl dem rauhen Krieger bei seiner Blutarbeit heimatliche Klänge tun. Darum besten Dank für Ihre und meiner Schüler Grüße. Es ist dies für uns ein erhebendes Gefühl, uns von denen zu Hause umsorgt zu wissen und der Eifer und die Begeisterung, mit der in der Heimat die Arbeiten für uns besorgt werden, macht uns die Erfüllung unserer harten Pflicht leicht. Eine harte Pflicht ist und bleibt es. Nicht frischfröhliche Feldpflichten sind es, die gewaltige Lücken reißen. Metz – Mörchingen war im Verhältnis zu unseren jetzigen Kämpfen ein fröhlicher Wandertag. Er kostete uns 2 Tote und 5 Verwundete. Der Ansturm westlich Luneville aber vom 26. August nahm uns 39 Verwundete und 2 Tote, die Vermißten gar nicht gerechnet. Tag für Tag sind wir im Granatfeuer der schweren französischen Festungsartillerie, gegen die die unserige bis jetzt verhältnismäßig wenig ausrichten konnte. Nun, wir haben ja den Gegner auch blos in der Front zu beschäftigen, bis er von hinten auch gefasst werden kann. Hoffentlich ist uns dann einmal wieder eine Feldschlacht beschieden! Bei jeder Arbeit für die Verwundeten und Kämpfenden sollen nur meine Schüler mithelfen. Jetzt darf ihnen nichts, aber auch gar nichts zu viel sein.
Nach den Kämpfen bei Mörchingen und westlich Luneville kam das Regiment zunächst bei Metz in Ruhestellung. Von dort schreibt am 18. September Ebersold: Schleunigst soll diese Karte den Dank aus unserem Rastort östlich Metz für die süße Fürsorge (Schokolade) ins stille Alsenztal tragen. Durch den steten Verkehr mit der Heimat bleibt man immer bodenständig und im Gegensatz zu dem Söldner, der irgendwo in der Luft hängt, weiß man: Es geht für König und Vaterland, für die Heimat, die unser Nährboden ist und die uns Kraft und Begeisterung zu neuen Kämpfen, zu neuem Aushalten nach der Ruhe gibt. Morgen wird es wahrscheinlich nach unbekannten Orten weitergehen und 8 Tage wird es mit der Besorgung der Post windig bestellt sein. Vom Festungsbereich im östlichen Frankreich wurden wir am 11. September abgelöst, wie das ganze II. bayerische Armeekorps. Hier haben wir das herrlichste Leben und da eben unsere Post aus der Heimat haufenweise ankommt, fühlen wir uns verhältnismäßig mollig.
Carnoi, 8. Oktober 1914
Gestern abend erhielten wir auf der Höhe etwas rückwärts von hier die Post und wurden dabei durch französische Granaten, die nicht weit davon das Schlachtfeld nach lebenden deutschen Kriegern absuchten, recht unliebsam gestört und konnten deshalb nicht alles erhalten, sondern mußten noch vieles im Postsack beieinander lassen. Immerhin bekam ich soviel, daß mir es immer wärmer wird bei den vielen immer wiederkehrenden Beweisen davon, daß die Unseren zu Hause mit ihren Sorgen, Wünschen und ihrem Hoffen bei mir sind und den Krieg mitfühlen, soviel es möglich ist.
So merkten wir wohl, daß hinter unseren Linien noch eine große Schar guter Geister liebreiche Hilfe leistete. Dank allen, die geben, mithelfen, mitsorgen, mithoffen, mitbeten. Wir sitzen in schlechtangelegten, engen Schützenlöchern, ohne eigentlich die Möglichkeit zu besitzen, auch gleich eine vernünftige Schützenlinie zu bilden. Wir können nicht beobachten, dürfen nicht raus, wissen nicht, ob der Gegner herankommt oder nicht. So sind wir hier die Ungewissheit in Person und liegen zu einem, zu zweien und dreien in einzelnen Löchern und rufen uns leise gegenseitig zu. Das ist alles, was wir voneinander wissen. Heute abend sollen wir abgelöst werden und zurück in Ortsunterkunft kommen. Im Festungskrieg wird nämlich alle drei Tage abgelöst und hier haben wir gegenwärtig soviel als möglich Feldstellungen gebaut.
Ginchy, 11. Oktober 1914
Hier in Nordfrankreich sind wir beim zunächst noch sichernden Gefecht in befestigten Feldstellungen bei Amiens, immer 2 Tage in vorderster Linie im Schützengraben, 2 weitere als Unterstützung etwas weiter dahinter im Durchgangsgraben und endlich 2 Tage etwas weiter rückwärts zur Ruhe, die wir gestern und heute genossen haben und bis zum Eintritt der Dunkelheit heute Abend noch genießen. So erleben wir dann heute den ersten Sonntag während des Feldzuges in richtiger Stille. Man hat wirklich das Bedürfnis nach solchen Punkten innerer Sammlung und Rückschau. Dann geht es wieder mit neuer Kraft und neuem Mute an reiche Arbeit.
Ginchy, 17. Oktober 1914
Nun wird sich der Krieg doch wohl noch etwas mehr in die Länge ziehen, als unser Kaiser meinte (bis Herbst). Die 100 000 Mann, die zu Schiff aus Antwerpen ausflitzten und nun irgendwo auftreten, kosten uns wohl 4 weitere Wochen zum allermindesten. Auch dadurch, daß Verdun immer noch nicht gefallen ist, wird der Kampf etwas langwierig. Erst dachte ich, wir kämen ohne Winterkleidung aus. Diese Hoffnung habe ich jetzt begraben.
22. Oktober
Sehen Sie, so wissen wir uns im Felde zu helfen. Da ich keine Feldpostkarte mehr habe und mein Unwohlsein mir nicht Zeit zu einem längeren Briefe lässt, so müssen die beiden Pappdeckel, die zum Einpacken der zwei Schokoladetafeln verwendet waren, den Dank für die liebevolle Sorge in die Heimat tragen.
Lille – Gestern wollte ich kräftig Briefe schreiben, mindestens 5: Aber ich mußte aus einer Vorstadt von Lille hinein nach Lille, eine Brille kaufen, weil die meine in Kaiserslautern zur Ausbesserung sich befindet und über meinen Zwicker das II. bayerische Armeekorps hinwegmarschiert ist.
Lille – Militärlazarett Saal 4, 6. November 1914.
Westwärts „Comines“ gings wieder ins Gefecht mit Engländern, Indiern und Franzmännern. Die Indier scheinen sich in den letzten Tagen verzogen zu haben. Die Engländer halten aber wider Erwarten noch feste Stand. Es geht eben mit Hochdruck an die Arbeit, stehts Sturm, Gefecht u.s.w. Langsam kommen wir zwar immer vorwärts, wenn auch unter großen, sehr großen Opfern. Dabei wurde ich zur Abwechslung gar, als sich am 3. November nachmittags unser Leutnant krank meldete, Kompanieführer. Wir standen östlich Hollebeke unter der 7. Infanteriebrigade und gehörten zu einem zusammengestoppelten Batallion  von 3 Kompanien, dessen Führer Leutnant Mannweiler aus Kalkofen (später gefallen) war. Bald aber kam der Abmarschbefehl: Das kombinierte Batallion marschiert auf Ostereete zur Verfügung der Gruppe Mark. Als wir gegen Abend diesen Befehl ausführten, traf uns unterwegs ein anderer Befehl der Division, der besagte, daß nur die beiden Kompanien des 5. Regiments gegen Ostereete vorrücken, die 1. Kompanie des 8. Reserveinfanterieregiments aber sich in Hollebeke der Brigade zur Verfügung zu stellen habe. Diese Streiter befanden sich in Schützengräben am Rande des Parkes, der zu dem Schlosse westlich Hollebeke gehört. 2 Züge schanzten sich als Unterstützung ein und den dritten brachte ich in dem Keller eines Gartenhauses in der Nähe des Parkrandes unter. Wieder waren wir wie so oft anderswo nötiger und so telefonierte die Division, daß wir früh 4. November nach Ostaveete zu marschieren und uns unserem Batallion zur Verfügung zu stellen hätten. Vorm Abmarsch zerschlug ein Jäger in dem Gartenhaus einen Kasten, die Franzmänner wurden aufmerksam, salzten mit Schrapnells tüchtig herüber und da gerade ein solches Biest über mir platzte, als ich zum Kellerloch hinein den Abmarschbefehl wiederholt hineinrief, so bekam ich 5 von den vielen in einem solchen nicht süßen Zuckerhut befindlichen Kugeln ab. Doch konnten sie nicht eindringen, da das Geschoß zu hoch geplatzt war und die Kugeln ihre größte Kraft eingebüßt hatten. So habe ich dann nur leichte Prellungen am linken Arm und an der linken hinteren Halsseite davongetragen, die so schnell behoben sein werden, daß ich, wenn dieser Brief in Ihre Hände gelangt, wahrscheinlich schon wieder bei der Truppe bin.
Brombach bei Lörrach – Baden, 15. November 1914.
Erst Feldlazarett Comines, kein Platz, dann Kriegslazarett Lille, ebenfalls kein Platz, jetzt Reservelazarett Brombach. Da rät mir der Arzt noch etwas länger zur Heilung und Erholung zu bleiben und jetzt will ich nicht. Morgen gehts zum Ersatzbatallion in Zweibrücken. Vielleicht bekomme ich dort einige Tage Urlaub in die Heimat, damit ich einmal wieder die Plätze sehe, um die ich mich geschlagen habe und in höchstens 14 Tagen wieder schlagen werde.
Auf der Fahrt nach Flandern teilte Ebersold seine kriegsmäßige Trauung mit einer Tochter der hiesigen Gemeinde mit, diesselbe fand in Zweibrücken statt, unmittelbar vor Abgang der Jäger, der ihn wieder ins Feld und zwar nach Comines in Nordfrankreich brachte.
Comines, 23. Dezember 1914.
Heute Abend, eigentlich also vorhin, hatten wir in der großen Halle der Weberei, wo die Webstühle sich befinden, in dem breiten Gange in der Mitte unsere Weihnachtsfeier für das Batallion. Dabei wurde gar mancher mit dem Eisernen Kreuz bedacht, darunter auch ich. Doch bitte ich, von jeglicher Veröffentlichung dieser Auszeichnung Abstand zu nehmen.
An Weihnachten Frieden? Ich weiß nichts davon, glaube auch nicht daran, so sehr ich es auch hoffe. Die letzten 3 Tage im Schützengraben und dann die 3 darauf gefolgten im Deckungsgraben sahen garnicht danach aus. Und wir rücken morgen Abend, just am heiligen Abend auf 2 Tage in den Schützengraben, um dort Weihnachten zu feiern.
Comines, 8. Januar 1915.
Gestern Morgen, also an Königs Geburtstag, hatten wir auf dem Platze vor dem hiesigen Rathause Parade, die in gruppenweisem Vorbeimarsch an unserem Kronprinzen Rupprecht bestand. Am Nachmittage leerten wir dann bei der Kompanie eine Flasche Münchner und vervollständigten den herrlichen Genuß dadurch, daß wir vom Marketenderwagen Knackwürstchen erstanden, die als warmes Würstchen das Getränk von der Isar in herzinnig willkommenen Festzug in den Magen begleiteten. Dort war eitel Freude über diese recht deutsche Mahlzeit in Feindesland. Am Abend zuvor hatte auf dem selben Platze, wo die Parade gewesen, eine Serenade stattgefunden. Von den Ansprachen hatten wir natürlich herzlich wenig, da wir sie nur bruchstückweise hören konnten. Dafür war das Spiel der vereinigten Regimentsmusiken für uns ein ganz herrlicher wie seltener Genuß. Diese innigen deutschen Weisen in einem Augenblicke der Ruhe und Sammlung in solch hervorragender Wiedergabe sind eine Erquickung der Gemüter, daß man sich nach solch rauhen Tagen wieder einmal als Mensch fühlen kann – Augenblick! Nach Feldhühnchennudelsuppe gehts weiter – Fein war sie und großartig hat sie geschmeckt, die Nudelsuppe nämlich und gleich kommt das von meinen Hausleuten, bei denen ich hier für die Tage der Ruhe in Einzelunterkunft untergebracht bin, zubereitete Mittagsmahl. Also die Semmel. Das markige „die Himmel rühmen des Ewigen Ehre“ und das vertrauensvolle „Wir treten zum Leben vor Gott den Gerechten“, jedes eine erhebende Andacht und selbst der Präsentiermarsch erschien mir als eine Herzenserfrischung. Ich will noch schnell der Strickgesellschaft (Schulkinder) einen Feldgruß schreiben und derweil wirds so allgemach Zeit, sich für den so nassen Schützengraben bereit zu machen.
Liebe Strickgesellschaft! Ich weiß es wohl, ihr seid ihn leidig, den gar so langen Krieg, bei dessen Anfang manche glaubten, das in drei Wochen, höchstens aber 3 Monaten sein Ende unbedingt da sein müßte. Woher sollten sonst für den Krieg der Neuzeit die vielen Menschen und das viele Geld kommen? Und nun sind über 5 volle Monate blutigen Ringens vorüber und noch immer ist kein Ende abzusehen. Immer neue Massen wälzen sich einander entgegen. Selbst Weihnachten mit seiner liebevollen Engelsbotschaft brachte ihn nicht, den allseits erwarteten Fieden, auf den Ihr zuhause innig hofftet und hofft und nach dem ein tiefes Sehnen durch die Reihen der Krieger geht. Und so gehen wir hinein in das neue Jahr mit dem alten Streit, mit der alten Blutarbeit. Möge sie recht bald ein Ende mit schönem Erfolg finden. Weil Ihr aber an Weihnachten mit lieben Gaben unser Gedacht, so will ich Euch von unserer Weihnachtsfeier hier in Comines erzählen. Wie es bei Euch war, Ihr wisst es, nicht wie sonst. Bei uns? Nun hört zu: Da wir gerade am heilgen Abend zur Wache gegen die Franzosen auf 3 Tage in den nassen, schmierigen Schützengraben zu rücken hatten, so wurde unsere Weihnachtsfeier im I. Batallion auf den Abend des 23. Dezember vorverlegt und die vier Kompanien versammelten sich in dem breiten Gange zwischen den Webstühlen der Maschinenhalle der Weberei Derville zu Comines, um einen geschmückten Tannenbaum, der in der Mitte auf einem Tische stand. Der Ständer war recht kriegsmäßig aus Hufeisen zusammengeschmiedet. Eine Sängerschar übte einige Lieder, bis die hohen Vorgesetzten kamen. Als die erschienen wurden sie mit „Stillgestanden“ empfangen. Nach dem „rührt euch“ trugen die Sänger ein Weihnachtslied „Oh du fröhliche“ vor und diesem folgten Ansprachen des protestantischen und katholischen Feldgeistlichen, sowie unseres Batallionskommandeurs. Daraufhin kam das Altniederländische Volkslied „Wir treten zum Beten“ an die Reihe und jetzt verteilte der kommandierende General nach entsprechenden Worten an die vorher an die Front gerufenen für tapferes Verhalten vor dem Feinde Eiserne Kreuze und beglückwünschte sie dazu. Nach dem Lied „Stille Nacht“ und der Wacht am Rhein nahm er Abschied und der Brigadegeneral richtete noch einige Worte an uns, die in der Mahnung gipfelten, auch unter den schwierigen Verhältnissen wie bisher aus- und durchzuhalten. Damit war die eigentliche Feier vorbei und die Kompanien konnten in ihre Unterkunftsräume gehen, vor die Berge von Weihnachtsplätzchen und -päckchen aus der lieben Heimat verteilt wurden. Nun aber schnell Schluß, es geht wieder in den Schützengraben. Herzliche Grüße von Eurem Friedrich Ebersold.
Antring, 21 März 1915.
In der Nacht vom 7. auf 8. März wurden wir aus der Front westwärts Comines herausgezogen und durch die 18er abgelöst. Wir kamen dann noch 2 Tage in Unterkunft nach Frercoung und marschierten dann am 10. des Monats hierher in ein liebliches kleines belgisches Städtchen. Seitdem genießen wir eine wohltuende Waffenruhe. Nicht einmal schießen hören wir es hier. Nur wenn wir auf die Höhen bei den beidenSchlössern gehen, hallt dumpfer Kanonendonner von Ypern und Arras herüber. Da wirds einem schwül und man steigt schnell wieder hinunter in den Bereich friedlicher Töne. Meine Nerven sind auch nicht mehr so wie am Anfang des Feldzuges. Am 27. Februar schlug sogar eine 7,5 cm Granate im Schützengraben vor Wytschaete in meinen Unterstand und platzte, während ich alleine darin lag. Außer einigen Ritzerchen auf der Außenseite der rechten Handfläche blieb ich völlig unverletzt und konnte nach wie vor meinen Dienst versehen. Mit verschiedenen anderen Regimentern bilden wir nun eine neue, die 10. bayerische Infanteriedivision, nachdem wir am 4. März aus unserem alten Verband, dem II. bayerischen Armeekorps ausgeschieden sind. Für immer werden wir ja nicht hierbleiben, wann und wohin es aber losgeht, kann ich freilich nicht sagen.
Lindau, Villa Regina, 19. April 1915.
Eben kam ich von dem zweistündigen Dienst der Schützengrabenaufsicht zurück. Die Ortsangabe bezeichnet den Schützengrabenabschnitt unserer Kompanie. Dieser Name kommt von unseren Vorgängern, den 20ern, die wir in der Nacht vom 31.3. auf 1.4. ablösten und die den Namen ihrer Garnisonsstadt auf ihren Kompaniebereich übertrugen. Der Laufgraben, der in unser Lindau hineinführt, ist der „Lindauer Weg“. Aber auch jeder Unterstand ist eigens benannt. So hause ich in Villa Regina. Die verschiedensten Villen sind hier. Auch eine „U 9“, eine „Emden“, ein „blutiger Knochen“ (mit den Kammstücken) und eine „Zollgrenze“ am linken Ende des Abschnitts. Der „Eiffelturm“ ist der erhöhte Artilleriebeobachterstand auf der großen Straße St. Quentin – Amiens, die schnurgerade beide Städte verbindet. Wir liegen genau in der Mitte zwischen diesen beiden Städten, zwischen unserer Ortsunterkunft Estree und Foucancourt, das schon in französischen Händen ist. So ist unser Lindau eine unterirdische Stadt in Frankreich. Der Schützengraben und die Laufgräben sind die Straßen und die Unterstände die Häuser, die je ein Zimmer aufweisen, das ist aber auch ein wirkliches, richtiges Zimmer. Nach und nach wird es immer wohnlicher hier drin. Schon das ich Sie mit Tinte und Feder aus dem Unterstand grüßen kann, wird Ihnen den gewaltigen Unterschied zwischen Wytschaete und hier etwas vor Augen führen. Hier sind Besuche, wie der am 27. Februar einfach unmöglich. Eine 7,5 cm Granate schlägt solch starke Eindeckungen nicht durch. Da müßten schon 15er kommen oder der schmale Laufgraben müßte so ein gefährliches Osterei aufhalten. Dann könnten aber höchstens nur Splitter hereinkommen. Von der Granate am 27. Februar hätte ich sehr gern vollständig geschwiegen. Aber da in dem Unterstand gegenüber ein mannweilerer Kind lag, als sie den meinigen zusammenhaute, so wußte ich ja schon, daß die Kunde doch nach Hause komme. Wie aber solche Nachrichten zum Schlusse aussehen, das merkt man an den Mordgeschichten, die gestern Abend von unserem Abschnitt erzählt wurden: 14 Tote hat die Kompanie, die mit als erste ablöst. In Wirklichkeit aber hatte sie nur einen einzigen Verwundeten und jener schon gleich an dem Abend, als wir zum letzten Male in Ortsunterkunft zurückgingen. Solche Ungeheuerlichkeiten, die meistens von den Mutigen hinter der Front, bei der Feldküche oder sonst woher kommen, schlägt man am besten mit der Wahrheit tot.
Estrie, 27. Mai.
Etwas Gutes hat das Durcheinander bei Arras doch gehabt: Das verfluchte, blödsinnige Exerzieren hört wenigstens auf und an seine Stelle tritt kräftige kriegsmäßige Arbeit. Wir bauen nämlich unsere Stellungen sehr stark aus. Als wir kamen, hatten wir nur einen einzigen Schützengraben mit den in diesen hineinführenden Laufgräben. Jetzt sind bald 5 Linien vollständig fertig, manche mit sehr starken Drahthindernissen. Tagtäglich wird daran gearbeitet und zwar nicht nur von uns, den „ruhenden“ Truppen, sondern auch von unserer Sanitätskompanie, die in dieser Stellung erfreulicherweise sehr wenig zu tun hat in ihrem Berufe, und eingekleidetem ungedientem Landsturm. Diese Brüder bilden natürlich einen ganz herzzereißenden militärischen Verein und es kann uns kein Mensch verdenken, daß wir den Ortsbewohnern beizubringen versuchen, es seien gefangene Russen. Jetzt darfs auch einmal ein bisschen krumm gehen. Dann wird der Schaden doch nicht gar so schlimm. Wenn die Verhältnisse links oder rechts einmal ein Zurückgehen unvermeidlich machen sollten, dann kann man sich doch gleich wieder festsetzen und Widerstand leisten und ist doch nicht einfach dem gegnerischen Eisenhagel preisgegeben, ohne sich verteidigen zu können. Sie dürfen nun aber  nicht glauben, daß wir an ein Zurückgehen denken, ohne daß es unbedingt nötig wäre. O nein! Im Gegenteil! Vor einigen Tagen bestellte ich bei unserem Versorgungsoffizier dünne Leinwand, um die eine Wand und die Decke meines Unterstandes damit auszuschlagen. Die Tapeten, die ich irgendwo aufgetrieben habe, langten blos für drei Wände. Für die vierte erwischte ich nun einmal nichts mehr. Es will sich rein garnichts finden, höchstens Kalk. Etwas Ölfarbe bin ich auf der Spur. Die wird aber zu gut bewacht. Wenn sie einmal niet- und nagellos sein sollte, dann ist sie mir natürlich lieber als die Leinwand. Einmal an Wand und Decke gestrichen, kann sie mir ruhig beschlagnahmt werden. Auf einen Käufer mehr oder weniger kommt es ja hinten am Ende auch nicht an. Dafür wohnt man auch wieder angenehmer. Wir dürfen uns ja wohl schon recht Dauerhaft einrichten, denn so schnell wird der Rummel noch nicht zu Ende sein, besonders jetzt, wo die Schufte jenseits der Alpen ihr Land unbedingt an Deutschland angliedern wollen. Das geht natürlich nicht so schnell. Erst müssen die Russen aus Galizien hinaus. Dann dürfen sie die Ostseeprovinzen räumen und sich ein paar mal „umgruppieren“, bis ihnen der Schnaufer ausgeht. Nachher gehts nach Calais. Die Kranken und Erholungsbedürftigen kommen jeweils nach dem Süden. Oberitalien ist ja wie geschaffen dafür. Auf jeden Fall hat sich der hinterhältige Vertragsbrecher schwer verrechnet. Es dauert freilich jetzt etwas länger, dieses Ringen um unser Sein. Aber am Ausgange kann auch dieser Zuwachs im Schufteverband unserer Gegner nichts ändern. Das schönste wäre ja, wenn schließlich Italia dem Schachspieler Grey nicht mehr nützte als Portugal.
Als der gute Anfang am Dunajec einsetzte, hofften wir in einem Vierteljahr mit unseren Gegnern fertig und in einem Halben zuhause zu sein. Jetzt geht es natürlich so schnell nicht, wenn nicht unvorhergesehene Ereignisse eintreten. Vielleicht kümmern sich an einem schönen Tage Vesuv und Ätna ob solch herrlicher Bundestreue um die, die in ihrer Umgebung wohnen, die Hauptsache aber werden wir schon selber schaffen. Dem bisherigen innigsten deutschen Wunsche „Gott strafe England“ tritt nun ein weiterer zur Seite: „Der Teufel hole Italien“.
19. September. Inzwischen war Ebersold zuhause.
Mit dem Wiedereingewöhnen ist es diesmal so eine ganz eigene Sache. Wie Blei liegt es mir in den Glieder und der Dienst ruft mich zurück. Dabei ist es mir aber körperlich ganz wohl. Innerlich aber bin ich mit der herben Kunde aus dem Osten (sein Bruder war dort gefallen), die mir bei meiner Rückkehr aus dem Urlaub auf dem Fuße folgte, immer noch nicht fertig geworden.
1. Oktober: Er erhielt zum Eisernen Kreuz das bayerische Verdienstkreuz II. Klasse.
Nürnberg, 14. November (Unterstand).
Eben geniesen wir hier das selbe Wetter wie im vergangenen Winter vor Wytschaete. Freilich kommt es uns in dieser Stellung nur halb soviel zugute, denn voriges Jahr kam zu dem Guten von oben, dem Regenwasser, in dem Grundwasser Flanderns nicht weniger Gutes von unten. Hier aber fehlt es erfreulicherweise an Feuchtigkeit aus der Tiefe, so daß man genügend weit in die Erde dringen kann, um eine vernünftige Deckung zu haben. So gedenken wir hier in Unterkunft und Stellung bedeutend weniger unbehagliche Winterquartiere zu bewohnen als vor Jahresfrist. Vor dem Winterschluß wirds aber wohl noch eine Mordsschießerei im Westen geben, als Kundgebung, die zur Entlastung im Orient führen soll, angreifen werden sie aber keinen.
Misery (Ortsunterkunft) 26. November
Recht erfreuliche und auch ernste Nachrichten zum anderen Teil waren es, die Sie mir in Ihrem letzten Brief zugehen ließen. Krankheit in der Schule und im Dorfe sind in so allgemeinem Auftreten eine harte Nuß für eine Gemeinde. Hoffentlich geht der Lehrmangel schnell vorüber. Besonders wünsche ich das meiner kleinen Schar. Auch bei uns sieht sichs hie und da in der Stellung etwas windig an und doch kommen wir zuallermeist  ohne Verluste wieder heraus. Manchmal meint man schon die Franzmänner suchten die Plätze für ihre Granaten aus an denen keine unserer Leute stehen. So ist es hier, wenn man genau zusieht, nur halb so schlimm.
Recht erfreulich ist die Regelung des Organistengehaltes, besonders erfreulich aber die Einstimmigkeit des Beschlusses. So läßt der Krieg in friedlicher Arbeit manches Ziel auf gute Art erreichen, was der Friede einem kriegerischen hin und her nicht bescherte. Möchte der Krieg, wie hier im Kleinen, so auch im Großen gar manche hohe Friedenserwartung im großen deutschen Vaterlande erfüllen. Die Rückkehr in Heimat und Friede wird so schnell nicht erfolgen. So schnell und leicht ergeben sich unsere Gegner nicht. Und jetzt sind wir bald soweit, daß wir befreundete Völker des Ostens ausrüsten und durch unsere Offiziere den englischen Träumen an die Kehle führen können. Ein baldiger Kaiserbesuch in Konstantinopel wird dafür ein herrlich Signal sein. Ach Gallipoli! Lebt wohl Dardanellen! Jetzt heißt es Ägypten und was drum und dran hängt. Das läßt sich natürlich nicht im Handumdrehen erreichen und so heißt es für uns im Westen wieder still und wachsam aus- und durchzuhalten. Eine kleine Ausspannung und eine ganz winzige durch Urlaub. Der kommt aber bei mir noch nicht so schnell wieder.

Das war der letzte Brief. Noch nicht vier Wochen später, am 20. Dezember 1915 wurde Ebersold, mit dem Urlaub in der Tasche, durch eine feindliche Kugel überrascht und auf dem deutschen Militärfriedhof in Marchelepot beigesetzt.

Bild S. 129

Kriegschronik von Oberndorf Teil XIV.

Berichte aus Briefen der Kämpfer V.

Lehrer Stemler – Mannweiler – schrieb am 14. August 1917 aus Russland.

Bild S. 125

Sie werden mich wohl schon in Sibirien vermutet haben, weil ich schon so lange nichts mehr hören ließ. Der Sommer in den Roknito-Sümpfen mag es entschuldigen. Wer diesen einmal erlebte, kann viel erzählen und wer sein Unangenehmes zum zweiten Male durchkosten muß, kennt ihn noch besser. Die beste Bezeichnung für ihn ist „scheußlich“. Das Klima ist ungesund. Drückend heiße Tage wechseln sehr rasch mit rauhen, wie sie Deutschland nur im November kennt. Luft, Erde und Wasser wimmeln von Ungeziefer, Flöhe fallen einem in ganzen Schwärmen an. Wer keine breiten Stiefel anhat, den springen sie beinahe um. Die Schnaken sind so zahlreich, daß man sich Tag und Nacht von einem Bienenschwarm umgeben glaubt. Wer ihnen einige Stunden ausgesetzt ist, sieht kaum noch aus den Augen. Mäuse und Ratten halten sich in den Unterständen in ungeheurer Zahl. Selbst ein Aufhängen des Brotes an einem Bindfaden hilft nichts. Sie kriegen es herunter, den Fliegen muß man das Recht lassen, im Gesicht Platz zu nehmen und bei allem mitzuessen, weil man sich ihrer nicht erwehren kann. Unken, Kröten, Molche und Frösche beleben jedes Wasser in so großer Menge, daß ein Fließen desselben unmöglich ist. Zahl und Arten des Ungeziefers sind so groß, daß man staunen muß. Mit ihm haben wir weit mehr zu kämpfen, als mit dem Russen. Letzterer ist hier ziemlich ruhig. Nur wenn er seine schwachen Stunden bekommt, beschießt er uns mit seiner Artillerie. In Rumänien geht es immer noch frisch vorwärts. Dem Engländer und Franzosen scheint im Westen auch bald der Atem auszugehen. Die gar so gewaltigen Wutschreie verraten nicht mehr allzuviel Kraft. Wir denken bis zur nächsten Kornernte wieder in der Heimat zu sein.

Am 11. April 1917 war folgender Brief angekommen:

Sehr lange dauerte es diesmal wieder, bis ich zum Schreiben kam. Doch nachfolgende Zeilen mögen eine Entschuldigung sein. Wir haben sehr bewegte Tage hinter uns. Schon sehr lange war von unserer Seite geplant, den Brückenkopf Toboly, den die Russen am mittleren Stochod besetzt hielten, zu nehmen. Am 2. April schien die Zeit hierzu günstig zu sein und so wurde unser Angriff auf den 3. April angesetzt. Früh 6 Uhr begann das Trommelfeuer auf die russischen Gräben. Für die ganze Arbeit waren 3 Tage vorgesehen, wurde aber, weil alles großartig glückte, in einem Tag geleistet. Die russischen Batterien wurden durch Gas niedergehalten. Unsere Artillerie arbeitete erstklassig. Nachmittags 2 Uhr begann schon das zurückfluten der Russen. Ganze Regimenter wollten geschlossen über zwei noch für sie in Betracht kommende Brücken. Hier leistete unsere Artillerie großartige Arbeit. Auf einer Wegstrecke von etwa 1 km waren von einem vollen Regiment nur noch einzelne Männlein zu sehen und diese wurden Opfer unserer Gaswolken. So rannte ein Regiment nach dem anderen in diese Feuerzone und wurde total vernichtet. Da alles eilig vorwärts schritt, kam um 6 Uhr abends für uns auch etwas überraschend schnell der Befehl zum Sturm. Um 7 Uhr stiegen wir über unsere Gräben und stürmten vor. Das erste Hindernis war von Wasser bis in Brusthöhe, dann folgten zwei feindliche Drahthindernisse und endlich der russische Graben. Die russischen Batterien, die sich regen wollten, erhielten sofort wieder die Nase voll Gas und alle schwiegen. Nun erwarteten wir jeden Augenblick die Gegenwehr der russischen Grabenbesatzung. Statt sich zu wehren, kam diese auf Knieen gerutscht und hielt an wie der Krüppel am Weg. Alle dachten scheinbar, daß es ihnen jetzt an den Kragen geht, was unser Kriegslärm auch hätte erwarten lassen können. Aber alle freuten sich über den gnädigen Empfang. Unseren Ulanen küßten sie die Hände und sogar die Stiefel, was mehreren Panies eine recht derbe Abfuhr einbrachte. Sehr eifrig marschierten sie auf unsere Gräben zu und waren sichtlich erfreut, endlich aus dieser Feuerhölle zu kommen. Wir machten an dem Tage 1 General, 4 Oberste und 10 000 andere Offiziere und Mannschaften zu Gefangenen und erbeuteten 15 Geschütze, 94 Maschinengewehre, etwa 40 Minenwerfer und ungezählte Gewehre und Material. Die Verluste der Russen an Toten und Verwundeten zählten nach Tausenden. Unsere Verluste waren sehr gering. Der 3. April wird mir in ewiger Erinnerung bleiben. Zum ersten Male wurden wir an diesem Tage zum Stürmen angesetzt wie Infanterie (Stemler war beim ersten bayerischen Ulanenregiment), während wir bisher nur in der Verteidigung blieben. Für unser Regiment war es ein ruheloser Tag. Unangenehm war nur das Freibad im Schneewasser und das Nachtlager auf dem Sand in unserer Kleidung. Mir ist die Sache nicht ganz gut bekommen. Scheinbar hatte ich etwas von unserem Gas geschluckt, denn tagelang besaß ich eine Art Katerstimmung, so daß ich die Ostern größtenteils auf meinem Lager zubrachte. Jetzt bin ich glücklich wieder auf dem Damm und freue mich, alles gut überstanden zu haben. Der Russe hat sich immer noch nicht ganz von seinem Schrecken erholt.

Militärstation: Herakino, den 28. Mai 1918

Ihr Brief vom 26. April erreichte mich erst jetzt. Inzwischen habe ich eine ganz interessante Reise gemacht, längs durch die Ukraine. Am 20. April wurde ich durch das Regiment von Stochod abgerufen. Nach einer vierwöchigen Reise mit der Bahn erreichte ich am 20. Mai das Regiment. Meine Fahrt führte mich über Jekaterinoslaw und Taganrog, letztes am Asow`schen Meer. In beiden Städten lag ich je 8 Tage und wartete auf weiteren Befehl. So hatte ich Gelegenheit in das Leben einer ukrainischen Stadt hineinzuschauen. Jekaterinoslaw ist eine Industriestadt mit einem ziemlich französischen Anstrich. Die Luft über der ganzen Stadt ist geschwängert mit Parfüm und die Gesichter der Damen sind „ganz bunt“ bemalt. In einer ganz zufälligen Kleidung steckt eine leichtlebige Bevölkerung, die sich nach wenigen Tagen nichts mehr von der schweren Zeit der Bolschewikiherrschaft anmerken ließ. Ernsthafte Arbeit kennt man weit weniger als in Deutschland, dagegen für den Straßenbummel zu bestimmten Stunden des Tages haben alle reichlich Zeit. Taganrog ist ein gemütliches Bürgerstädtchen. In seinem Hafen herrscht ziemliche Stille. Nur Fischerboote fahren aus und ein. Der Anblick des Meeres vom Strande aus ist ganz malerisch, aber keineswegs überwältigend, wie ich es mir vorstellte.
Gegenwärtig liegen wir etwa 70 km nördlich Taganrog. Da nun die Operationen fast abgeschlossen sind, beginnt die Hauptarbeit des deutschen Militärs in der Ukraine. Diese besteht im Beitreiben von Vorräten, die nach Deutschland geschafft werden. Wir selbst werden in den nächsten Tagen hier abgelöst und kommen fort. Wohin es geht und welche Verwendung wir bekommen, ist noch unbestimmt. In Mannweiler glaubte man mich schon im Westen. Gottlob ist es bis jetzt noch nicht der Fall, aber ausgeschlossen ist es garnicht, daß es bald kommen kann.

Kloszki, den 7. Oktober 1918

Ihren Brief vom 13. September erhielt ich erst vor zwei Tagen. Inzwischen war ich schon in Urlaub. Auf der Durchfahrt machte ich auch in Mannweiler einen kurzen Besuch. Leider war die Zeit zu kurz, um auch nach Oberndorf zu kommen, wo ich gerne auch Sie besucht hätte. So muß ich dies auf das Kriegsende verschieben, was ja bald zu kommen scheint. Wie im Februar wurde ich auch diesmal wieder einberufen. Die Ursache war eine Verschiebung des Regimentes. Seit einigen Tagen sind wir nun in Tanrien, an der Küste des Schwarzen Meeres. Unsere Fahrt ging über Nikolajew nach Cherson. In letzterem lagen wir 2 Tage. Das Äußere der Stadt macht einen orientalischen Eindruck. Das Leben und Treiben ist russisch, Kaufhäuser, Gasthäuser und Cafes dagegen nach deutschem Muster. Zu kaufen bekommt man alles, was das Herz begehrt, aber alles ist sündhaft teuer. Was bei uns in Deutschland jetzt noch 20 – 30 Pfennig kostet, bezahlt man hier mit 3 Rubel = 4 Mark. Von Cherson aus wurden wir auf Schleppern über den Dniepr gesetzt. Zum ersten Male sah ich dabei Kavallerie auf dem Wasser. Auf zwei großen Kähnen war die ganze Eskadron mit 170 Pferden, 190 Mann und 18 Wagen untergebracht. Die Reise zu Schiff ging 8 – 10 km weit nach dem Städtschen Aloszki gegenüber Cherson, wo wir jetzt liegen. Aloszki ist ein Städtchen mit 20 000 Einwohnern, mitten in einem weiten Wüstenland. Man glaubt hier in der Sahara zu sitzen auf einer Oase. Das Städtchen an sich ist sonderbarer Weise ein großer Obstgarten. Doch es ist so staubig, daß die ganze Natur grau statt grün ist. Wir haben hier 25 Grad Wärme am Tage und die Nacht kann man ruhig auf blankem Sande im Freien verbringen. Unser Dienst ist Verwaltung und Sicherung des Bezirks. Ich selbst habe den Posten eines Bahnkommandanten. Was man im Kriege nicht alles werden kann. Hoffentlich ist das der letzte Posten und wir können bald zur Friedensarbeit zurückkehren.

Die Kriegszeit auf dem Lande im Jahr 1915, von Pfarrer Stock.

In dem gebirgigen Teile unserer schönen Pfalz, wo die Flüsse und Bäche sich in das Erdreich eingewühlt haben, erwachsen dem Landmanne bei der Feldbestellung und Ernte erhöhte Arbeitsleistungen. Die gesteigerten Mühen des Lebens blieben denn auch nicht ohne Einfluss auf sein inneres, geistiges Leben. Er ist bedächtigen Sinnes, leidet nicht an Vielredigkeit und sieht seinen schönen Lebenszweck in der Arbeit in Feld und Haus. Äcker, Stall und Scheune erfordern im Laufe des Jahres seine Gegenwart und so kommt es, daß sein Umgang mit der Außenwelt ein beschränkter ist, was hauptsächlich ihn veranlasst nicht blindlings allen Neuerungen nachzujagen, sondern vorsichtig das Für und Wider reiflich zu erwägen. Gleichwohl zeigt er sich allen fachmännigen Stellen, zu denen er einmal Zutrauen gefasst hat, entgegenkommend, so daß z.B. die theoretischen und praktischen Winke, bei ihm auf fruchtbaren Boden fallen, was allgemein an dem Aufblühen der landwirtschaftlichen Produktivität jeglicher Art dieses Gebietes beobachtet werden kann. Der pfälzische Bauer im Berglande ist stolz auf seinen Besitz und weil er ihn schwer erringt, hält er ihn doppelt fest. Daher lässt es sich auch erklären, daß die kriegswirtschaftlichen Maßnahmen von ihm besonders schwer empfunden werden, namentlich, weil er glaubt, daß die Manipulationen des Großhandels nicht die gleiche Belastung erfahren. Daß auch hier nach und nach durch behördliche Einrichtungen ein Ausgleich herbeigeführt wird, dürfte die Landwirte schließlich zufriedenstellen und beruhigen.
Als im Jahre 1914 der furchtbare Krieg ausbrach und eine Kriegserklärung der anderen folgte, da lag auch über den Dörfern der westlichen Pfalz eine schwüle Atmosphäre. Mit Bangen sahen die älteren Leute der nächsten Zukunft entgegen, während die Jüngeren gleich ihren städtischen Kameraden kampfbegeistert auszogen. Auch hier sah man rührende Szenen des Abschieds, wie sich das alte, von schwerer Arbeit verwitterte Mütterchen an den kraftstrotzenden scheidenden Sohn hing und mit dem Schürzenzipfel die Tränenbäche zu hemmen suchte, oder wie der lastgebeugte alte Bauer seinem Jungen das Geleit zur nächsten Bahnstation gab und hier wehen Herzens dem reich geschmückten Zuge nachsah, der seinen wackeren Arbeitsgenossen ins ungewisse Schicksal entführte. So sah ich ein altes Männlein noch eine halbe Stunde nach Abgang des Zuges, auf dem selben Flecke stehend, mit tränengeröteten Augen nach der Richtung starren, wo sein Lebensblut dahinfuhr. Dort nahm der Bursche von dem ihm „versprochenen“ Mädel tapfer Abschied, es mit seines Kaisers Worten tröstend, wie er den bösen Feind „dreschen“ wolle und wie er gewiß wieder gesund und als ein Held zurückkehren werde. An den Tod dachten die jungen Krieger nicht. Mit ihren Kameraden vereint, zogen sie singend und scherzend aus in den Kampf, daß Trennungsweh den Daheimgebliebenen überlassend.
Still gingen diese der Arbeit nach und als nach und nach auch die älteren Jahrgänge eingezogen wurden, da wurde überall in den Dörfern die bange Frage laut: Wer hilft uns jetzt die Ernte einbringen und das Feld bestellen zum nächstjährigen Ertrage? Doch was man nicht für möglich gehalten hätte, ist eingetreten. Nach der Entziehung so vieler starker Männerkräfte schritt die Feldarbeit fort wie in Friedenszeiten. Frauen und Mädchen im Vereine mit Greisen und Kindern unterwarfen sich mit doppeltem Eifer der Riesenarbeit von Ernte und Feldbestellung, von Haus- und Gartenwirtschaft. Verwandtschaftliche Zusammengehörigkeit und nachbarliche Zuneigung ergänzten gegenseitig die Lücken. Mit gefüllten Scheunen schloß das Kriegsjahr 1914 ab und mit Zuversicht sah man nach den gelungenen Proben dem weiteren Verlauf des Krieges entgegen und wohl noch günstiger gestaltete sich das Ernteergebnis im Kriegsjahr 1915.
Wenn auch die Bauersfrau, wie geschildert, alle Hände voll zu tun hat, so vergißt sie doch nicht mit besonderer Sorgfalt für ihre tapferen Helden draußen im Schützengraben die wohlgefüllten Liebesgabenpaketchen herzurichten und mit einigen liebevollen Zeilen der Post zur Weiterbeförderung anzuvertrauen. Schinken, Hartwurst, Hausmacherwurst, Eier, Butter und andere gute Dinge sollen dem Braven draußen für alle Strapazen und Gefahreneinigermaßen entschädigen. Wie freut sich das Mutterherz, wenn ein Feldpostbrief die Antwort bringt, daß die guten Gaben mit Vergnügen in Empfang genommen worden seien und ihren Zweck erfüllt hätten und wie freut sie sich erst recht, daß der gute Junge noch heil und gesund ist. An warmen Unterkleidern für den harten Winterdienst darf es ihm nicht fehlen. Die sorgende Mutterhand findet Zeit genug dies alles herzurichten. Mit Stolz erzählen die Angehörigen von den heimberichteten Heldentaten ihrer Braven draußen und wahrlich, es sind ihrer nicht wenige, die mit Verdienstkreuzen und gar dem Eisernen Kreuze für ihr tapferes Verhalten vor dem Feind ausgezeichnet worden sind. Mit doppeltem Eifer wird von Großvater, Mutter und Schwester oder dem jüngeren Bruder die schwere Arbeit geleistet, die sonst dem Feldgrauen oblag, wenn sie von ihm hören, wie er große Strapazen, oft den Tod vor Augen, zu ertragen habe. Dieses Heldentum vor dem Feinde regt in der Heimat zum ausdauernden Ringen in wirtschaftlicher Hinsicht an. Es werden dadurch bei der Landbevölkerung schlummernde Kräfte ausgelöst und weiter gestählt, die erzieherisch wirken zur Heranreifung eines starken Geschlechts.
An vielen Zügen lässt es sich erkennen, daß die Landbevölkerung sich mit starkem Herzen in das schwere Geschick findet, das der Krieg bringt und daß sie mit vaterländischen Gefühlen alles Ungemach erträngt. Ist es nicht vaterländisch gedacht, wenn eine Mutter, deren Herz sich um ihren Sohn draußen an der Front schon weit über Jahresfrist verzehrt, sagt: „Es ist mir ganz gleich, wann er kommt, w e n n er nur wiederkommt!“ Mit welchem heroischen Gleichmut oft Frauen die Verstümmelung ihrer Männer ertragen, ist erstaunlich. Nicht als ob sie sich gleichgültig darüber hinwegsetzen würden; nein, der Gedanke, daß ihr Gatte seine gesunden Glieder für das Vaterland hingegeben hat, löst bei ihnen, neben einem schmerzlichen Gefühl, ein Gefühl des Stolzes aus. „Es wird schon wieder einen Weg zu neuem Unterhalt geben“, sind hier die Worte der Selbsttröstung. Gleich heroisch sind aber die von feindlichen Geschoßen schwer Gezeichneten selbst im Ertragen ihrer Kriegsgebrechen. So hat, um nur ein Beispiel anzuführen, ein blutjunger Landwirt mich eines Tages mit der linken Hand gegrüßt, weil der rechte Arm infolge eines Schrapnellschusses bewegungslos herabhing. Trotzdem eine Heilung ausgeschlossen ist, war er guten Mutes und meinte, stolz auf das Band des Eisernen Kreuzes zeigend: „Dies entschädigt mich reichlich für meinen toten Arm und wenn ich auch meinen Landwirtsberuf an den Nagel hängen muß, so werde ich mir schon weiter helfen“. Diese Beispiele, sie ließen sich noch vermehren, geben beredetes Zeugnis von dem guten, patriotischen Geist, der in unserer Landbevölkerung steckt und es ist  nicht zu verwundern, wenn unsere Heerführer sich wiederholt äußerten, daß mit so gearteten Truppen sich die schwierigsten Unternehmen ausführen lassen.
Wir wollen es mit den düsteren Bildern genug sein lassen und Kriegseinwirkungen auf dem Lande schildern, die eine heitere Note erkennen lassen. Wie freut man sich im Elternhause, wenn der Sohn, auf den man seiner Taten wegen stolz geworden ist, auf Urlaub heimkommt. Erhobenen Hauptes begleitet man ihn durch das Dorf in die Kirche, wo er in seiner feldgrauen Uniform alle Blicke auf sich lenkt. Gespannt lauscht man seinen Schilderungen vom Kampffelde und all den furchtbaren Dingen, die der moderne Krieg mit sich bringt. Doch auch heitere Erlebnisse werden zum Besten gegeben und nicht zum Geringsten spielt dabei die Magenfrage mit allem Drum und Dran eine Hauptrolle. Von Eltern, Geschwistern und Verwandten wohl aufgepäppelt, verläßt der Krieger nach abgelaufener Urlaubszeit wieder sein Heimatdorf und begibt sich neu gestärkt zum frischen Kampfe in den Schützengraben.
Die Kriegsgefangenen, in der Hauptsache sind es Russen, werden von den Landleuten gut gehalten. Sie empfangen ausreichende Kost, schlafen in guten Betten und werden, wenns not tut, gekleidet. Allerdings verlangt der Bauer dafür ausdauernde Betätigung in Feld und Haus. Die Verständigung geschieht durch Zeichen und Vormachen. Im Laufe der Zeit lernen sich auch beide Parteien bis zu einem gewissen Grade durch gegenseitig erlernte Worte verstehen. Das Verhältnis zwischen Familie und Kriegsgefangenen ist meist ein erfreuliches. Doch gibt es unter letzteren hie und da renitente Elemente, die sich gern von der Arbeit drücken möchten. Viele sind des Lesens und Schreibens auch in ihrer Muttersprache unkundig und bringen den bäuerlichen Anleitungen oft wenig Geschick entgegen. Andere zeigen sich, dank ihrer  besseren geistigen Entwicklung wieder anstelliger. Mancher Bauer muß oft allen Scharfsinn und alles anschauliche Geschick aufwenden um diese Leute in subtilere Teile der Arbeit einzuführen. Wieder andere reden auf die Gefangenen unermüdlich ein, um sich ihnen verständlich zu machen. Ja ich hörte sogar ein altes Bäuerchen mit überlauter schriller Stimme einem Mongolen beim Pflügen Anleitungen geben, so daß es sich anhörte als ob er den größten Rechtsdisput mit dem Gefangenen hätte. Wahrscheinlich glaubte der Lehrmeister dem Mangel an Sachverständnis durch die Tonstärke abhelfen zu können. Soviel haben die Landwirte herausgeklügelt, daß die Russen im allgemeinen brauchbarer zur Feldarbeit sind, als die feinnervigen Franzosen. Den russischen Kriegsgefangenen scheint es ganz gut, nach ihren Äußerungen zu schließen, auf dem Lande zu gefallen. Manche von ihnen wollen deutsch werden und geben das kund mit den Worten: „Nix Russi, Warschau deutsch!“ Wieder andere verwundern sich darüber, daß jeder Mann hier sein Häusschen und Gärtchen habe, während bei ihnen dies alles dem Zar gehöre. Sie wollen Frau und Kinder kommen lassen und lieber hier wohnen bleiben, als in ihrer russischen Heimat, wo alles so streng und hart sei.
Die Wahrnehmungen und Erfahrungen, weche die Tausende und Abertausende von Kriegsgefangenen in unseren deutschen Landen machen, dürften wohl nach dem Frieden und der Heimkehr derselben gute Früchte zeitigen. Sie werden gewiß die beste Abwehr aller Lügengewebe bilden, mit welcher das russische Volk von seiner Presse umnebelt wurde und werden eine Brücke zu besserem gegenseitigem Verstehen schaffen zum Nutzen und Frommen großer Völkerschaften.